Pflege in der Krankenhausreform – Wieviel ist für die Pflege drin? Einschätzung aus Expertensicht

Prof. Dr. habil. Martina Hasseler, Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin und Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung

Pflege in der Krankenhausreform

Zunächst ist relevant zu betonen, dass zwischen der Regierungskommission und den Arbeitsentwürfen bzw. das, was in Zukunft als Referentenentwurf zur Krankenhausreform bzw. als Gesetzentwurf vorliegt/vorliegen wird, unterschieden werden muss.

Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung legt zwar Stellungnahmen zu diversen Themen mit Relevanz für eine Krankenhausversorgung vor, was aber dann zwischen Bund und Ländern ausgehandelt wird und in der Folge als Gesetzentwurf im zuständigen Ausschuss angehört und verändert und später als Gesetz den Bundestag verlässt, ist getrennt voneinander zu betrachten. Die Regierungskommission ist nicht in diesen politischen Prozess eingebunden.

Deswegen werden in diesem Beitrag jetzt nicht die Stellungnahmen der Regierungskommission, sondern der Arbeitsstand des letzten mir vorliegenden Entwurfes Krankenhausreform für das Thema der Pflege diskutiert. Aufgrund der Kürze dieses Beitrages können kritische Punkte hier nur skizziert werden.

Augenfällig ist im letzten Arbeitsentwurf, dass kaum zukunftsinnovative Punkte zur Förderung der Pflegefachberufe und die Integration in das Leistungsrecht des SGB V vorgesehen sind. In § 115 g des Arbeitsentwurfes wird eine Kombination von Krankenhaus und dem SGB XI (Pflegeversicherung) versucht, wenn von medizinisch-pflegerischen Einrichtungen gesprochen wird und bspw. die Kurzzeitpflege nach SGB XI integriert werden soll. Dieser Passus ist so zu interpretieren, dass lediglich eine Organisationsform des SGB XI offensichtlich mit Pflegefachberufen und deren Leistungen verwechselt wird. Nicht nachvollziehbar ist auch, dass die medizinisch-pflegerischen Einrichtungen als neue Versorgungsform betrachtet werden. Zu beachten ist, dass die Geschichte der Krankenhäuser zunächst darauf zurückzuführen ist, dass die Menschen dort wegen der Bedarfe pflegerischer Versorgung bleiben. Wenn sie diese nicht hätten, könnten alle ärztlichen Interventionen ambulant durchgeführt werden. Darüber hinaus ist es schwierig, Krankenhäusern mit SGB XI (Pflegeversicherung) zu kombinieren. Das würde bedeuten, dass die Krankenhäuser mit Pflegekassen Verträge eingehen müssen, wenn sie Organisationsformen des SGB XI anbieten wollen. Darüber hinaus können nur die Pflegebedürftigen dann weiter versorgt werden, die einen durch einen Medizinischen Dienst anerkannten Pflegegrad haben und sich dann auch für eine Sachleistung entschieden haben. Die Pflegeversicherung ist ja nicht für die Finanzierung pflegfachlicher Leistungen zuständig, sondern als Teilleistungsrecht nur dafür, das Lebensrisiko der Pflegebedürftigkeit zu reduzieren und durch einen Pflegegrad nur zu ermöglichen, dass die limitierten Leistungen des SGB XI in Anspruch genommen werden kann. Die meisten Pflegebedürftigen entscheiden sich übrigens für Pflegegeld und damit für eine alleinige Versorgung durch Angehörige. Ferner ist zu beachten, dass sowohl die grundpflegerische Versorgung, die in Versorgungsverträgen zwischen Pflegekassen und Einrichtungen des SGB XI als Vertragspartner verhandelt wird, sowieso in allen Krankenhäusern stattfindet. Die in Deutschland genannte Behandlungspflege, die in § 37 SGB V geregelt und von ärztlichen Anordnungen abhängig ist, findet auch in Krankenhäusern regelhaft von qualifizierten Pflegefachberufen in Delegation statt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die medizinisch-pflegerischen Einrichtungen als neue Versorgungsform im Arbeitsentwurf betrachtet werden. Sie werden die Krankenhausversorgung in diesem Level eher komplizierter machen. Abgesehen von diesen obsoleten Begriffen der Grund- und Behandlungspflege, bieten Pflegefachberufe u.a. an: präventive, gesundheitsförderlicher, rehabilitative, psychiatrische, palliative, akutmedzinische, gerontologische, gerontopsychiatrische und weitere fachpflegerische Interventionen und Maßnahmen an, die ausdrücklich nicht im Arbeitsentwurf, nicht in den medizinisch-pflegerischen Einrichtungen und ganz sicher nicht im SGB XI als finanzierte und autonome Leistungen vorgesehen sind. Es ist auch nicht vorgesehen, dass eine standardisierte Pflegesprache zur Integration in die medizinisch-pflegerischen Einrichtungen, aber auch Krankenhäuser höherer Level integriert werden solle. Diese ist aber eine Voraussetzung dafür, dass Pflegebedarfe erheben werden können, die in § 115 h u.a. auch eine Rolle spielen.

In § 115 h ist zu erkennen, dass die Deprofessionalisierung der Pflegegeberufe vorangetrieben wird. Dieser regelt erst mal nur die ärztliche, aber nicht die pflegefachlichen Leistungen. Die Formulierung, dass die medizinisch-pflegerischen Einrichtungen von Pflegefachberufen geleitet werden können, reicht nicht aus. Da eine Leitung von Einrichtungen nicht bedeutet, dass die pflegefachliche Verantwortung in der Gesundheitsversorgung in diesen Einrichtungen übernommen werden kann. By the way, § 107 Abs. 1 Nr. 2 könnte ganz einfach mit nur wenigen Worten und Nebensätzen so reformiert werden, dass Pflegefachberufe verantwortlich integriert werden und deutlich wird, dass eine Krankenhausbehandlung nicht nur ärztlich verantwortet ist. Bis jetzt fehlt in Deutschland, dass Pflegebedarfe überhaupt leistungsrechtlich relevant erhoben werden (dürfen) und auch finanziert werden, sodass die Formulierung, soweit Pflegebedarfe im Vordergrund sind, erst mal inhaltlich und fachlich und leistungsrechtlich gefüllt werden muss. Des Weiteren sind die Vorbehaltsaufgaben des § 4 Plfegeberufegesetz noch nicht mal ansatzweise ins SGB V, in das relevante Leistungsrecht, integriert worden. Dieser Mangel sollte mit der Krankenhausreform behoben werden. Insbesondere werden die vorher als Level 1i formulierten und jetzt im Arbeitsentwurf medizinisch-pflegerisch genannten Einrichtungen nur dann bedarfsangemessen und im Sinne der Patienten*innenversorgung funktionieren, wenn Pflegefachberufe gemäß ihrer Qualifikations- und Kompetenzlevel autonom arbeiten und verantwortlich in die Gesundheitsversorgung integriert werden. Interessanterweise soll aber der Zugang zur medizinisch-pflegerischen Versordnung über ärztliche Versorgung erfolgen. Juristisch wird mittlerweile hinterfragt, ob aufgrund des § 4 Pflegeberufegesetz Ärzte*innen überhaupt Verordnungen treffen dürfen, die die Belange der Vorbehaltsaufgaben der Pflegefachberufe erfüllen.

In § 135 e fehlen eindeutig die pflegefachberufesensitiven Leistungen und Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren. Diese müssen ganz dringend in die Leistungsgruppen und Indikatoren integriert werden.

Auch die Grundlagen der Pflegebewertungsrelationen, die ab 2025 gelten sollen, so der Arbeitsentwurf, müssen aus pflegewissenschaftlicher Sicht kritisch bewertet werden. Bis jetzt erscheint es so, dass keine differenzierten pflegefachlichen Erkenntnisse als Basis für die Berechnung zugrunde gelegt werden. Die bisherigen Veröffentlichungen des INEK deuten eher auf einem veralteten Verständnis dieser Berechnungen hin mit dem Verständnis der Pflegefachberufe und pflegefachlichen Leistungen als Last und nicht als evidenter Mehrwert.

An dieser Stelle können jetzt noch differenzierte Empfehlungen vorgenommen werden, an welchen Stellen des § 15 Abs. 1 SGB V, des § 28 Abs. 1 SGB V oder im § 107 SGB V oder durch erforderliche Paragrafen im SGB V die Pflegefachberufe leistungsrechtlich verankert werden sollten und müssten, damit diese auch im Zuge der Krankenhausreform sinnvoll und relevant integriert werden. Aber diese Erläuterungen können auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Fakt ist, diese sind aber hocherforderlich, wenn Pflegefachberufe sinnvoll mit der Krankenhausreform mit ihren pflegefachlichen Leistungen gefördert werden sollen.

Abschließend bleibt, der letzte Stand des Arbeitsentwurfes zur Krankenhausreform hat noch enormes Weiterentwicklungspotenzial, wenn Pflegefachberufe angemessen berücksichtigt werden sollen. In den Arbeitsentwürfen werden nicht Inhalte aus diversen Papieren der Regierungskommission übernommen, die Potenzial hätten, die Pflegefachberufe als Profession und mit ihren Leistungen zu fördern.

Aus pflegewissenschaftlicher Sicht ist dringend anzuraten, alle SGB XI Bezüge aus der Krankenhausreform rauszunehmen, weil es die Krankenhausversorgung komplizieren wird. Es ist nicht zu erkennen, dass damit die Versorgung der Patienten*innen verbessert wird.

Pflege in der Krankenhausreform – Wieviel ist für die Pflege drin? Einschätzung aus Expertensicht

„Was bringt die geplante Krankenhausreform in Sachen Pflege und Pflegepersonalmangel?“

Autoren: Prof. Dr. Henriette Neumeyer, Stellv. Vorstandsvorsitzende und Leiterin Geschäftsbereich für Krankenhauspersonal und Politik, Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) & Peer Köpf, stellv. Leiter Geschäftsbereich Krankenhauspersonal und Politik, DKG

„Pflege in der Krankenhausreform“

Autorin: Prof. Dr. habil. Martina Hasseler, Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin und Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung

Irene Maier, Vize-Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR)

Foto: privat

Arne Evers

Pflegedienstleiter St. Josefs-Hospital Wiesbaden GmbH, Mitglied DBfK
Foto: privat

„Auf dem Weg zu einer zukunftsorientierten Krankenhausreform“

Autor: Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
Foto: Lisa Treusch