Wahlarena

BEITRAG WAHLARENA VOm Berufsverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS)

Statements zur Umsetzung des Pflegeberufegesetz

Vor dem Hintergrund der anstehenden Wiederholungswahl im Bundesland Berlin möchte der Landesverband Berlin Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS e.V.) ein Augenmerk auf die ausbildungsrelevanten Bausteine und deren systemübergreifenden Hürden in der bisherigen Umsetzung der Pflegefachausbildung aufmerksam machen. Dabei greifen wir auf die Erfahrungen, Erwartungen und Forderungen der Akteure aus den Pflegeschulen zurück.

Lehrerqualifikation – Akademisierungsbestrebungen in der Lehrerbildung

Zur Stärkung einer professionellen und bildungsrelevanten Realisierbarkeit der Pflegeausbildung im Lernort Pflegeschule fordern wir schnellstmöglich, zu einem Lehrer-Auszubildendenplatz-Schlüssel von 1:15 in der Pflegeausbildung nach dem Pflegeberufegesetz zurückzukehren. Wir entsprechen damit auch dem Wunsch unserer Mitglieder, bei denen dieses Anliegen auf breiteste Zustimmung trifft. Wir möchten die Notwendigkeit zur Rückkehr zum alten Lehrer-Auszubildendenplatz-Schlüssel im Folgenden gerne argumentativ untermauern.

Mit der Einführung des Pflegeberufegesetzes (PflBG) i.V.m. der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (PflAPrV) wurden die Anforderungen an die Lehrendenqualifikation auf ein neues Niveau gebracht. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die flächendeckende Akademisierung der Lehrenden in der Pflege auf Masterniveau. Wir weisen jedoch auf die ungünstigen strukturellen Bedingungen hin, mit denen Studierende in den medizin-, pflege- und gesundheitspädagogischen Studiengängen konfrontiert werden. Das Studium erfolgt in Ermangelung von Alternativen häufig berufsbegleitend und wird entsprechend der Geschlechterverteilung in der Pflege überwiegend von Frauen und in einer Lebensphase wahrgenommen, in die auch die Familiengründung fällt. Für den Prozess der Akademisierung bedeutet dies, dass Masterabschlüsse später erworben werden und sich der anschließende berufliche Einsatz in Pflegeschulen aufgrund von Mutterschaft und Elternzeit nach hinten verschieben kann. Qualifiziertes berufliches Handeln kann dem Studium nicht vorausgehen – es gilt, Studierende vor Überforderungen zu schützen, die häufig integraler Bestandteil von pädagogischen Teams und allen beruflichen Anforderungen voll ausgesetzt sind. Dieser Schutz erfolgt aus unserer Sicht am besten über eine quantitative Reduktion der immer komplexer werdenden Arbeitsanforderungen.

Auch der bedarfsgerechte Ausbau von hochschulischen Studienkapazitäten muss durch die Parteien im Land Berlin und den zuständigen Behörden gesichert werden. Aktuell wird mehrheitlich die Qualifikation von in der Pflegeausbildung tätigen Lehrenden dem Feld privater Hochschulen überlassen. Damit gehen jedoch häufig hohe finanzielle Belastungen für die Studierenden einher. Vor dem Hintergrund des bereits vorherrschenden Pflegefachkräftemangels benötigt das Land Berlin eine Gesamtstrategie für die Ausbildung von Lehrenden in der Pflege, um zukünftig Nachwuchskräfte für die Pflegeschulen zu gewinnen. Nur mit der Ausbildung von hochschulqualifizierten Lehrpersonen wird es uns gelingen, die anstehenden (demografischen) Herausforderungen begegnen zu können.

Das Anwerben, Ausbilden und Einarbeiten des pädagogischen Nachwuchses ist eine andauernde Kraftanstrengung für die Pflegeschulen. Die in der Regel berufsbegleitend Studierenden müssen für Präsenzzeiten und die Durchführung von Praktika im Rahmen ihres Studiums freigestellt werden. Sie fehlen dann in der Personaldecke der eigenen Pflegeschule, so dass sich ihre Arbeit auf die anderen Lehrenden verteilt, oder sie müssen in anderen Pflegeschulen professionell unterstützt werden, was als Mehraufwand für die dort tätigen Pädagoginnen und Pädagogen aufzufassen ist. Die Unterstützung geschieht weder beiläufig noch zufällig, sondern z.B. im Rahmen strukturierter Betreuung von Praktika, in Hospitationen und Reflexionsformaten. Die zusätzlichen Aufgaben müssen sich auch in dafür zur Verfügung stehenden Zeitfenstern widerspiegeln.

Darüber hinaus ist die Aufrechterhaltung der Qualifikation der Lehrenden mit der gesetzlichen Anforderung verbunden, sich in jährlich verbindlichem Umfang pädagogisch fortzubilden. Auch hierfür sind zeitliche Freiräume im Rahmen der Tätigkeitsausübung zu schaffen, die dann nicht direkt für die Planung, Vorbereitung, Durchführung und Evaluation von Unterricht oder die Betreuung von Auszubildenden genutzt werden können.

Kompetenzorientierte Pflegeausbildung

Lehrende und Praxisanleiter brauchen dringend und zwingend curriculare Kompetenzen, um die gesetzlich verankerte und im Rahmenlehrplan konkretisierte Kompetenzorientierung in beiden Lernorten zu gewährleisten. Die Neuausrichtung nach dem Pflegeberufegesetz bedeutet nichts weniger als einen Paradigmenwechsel in der Gestaltung der theoretischen und fachpraktischen Pflegeausbildung. Für eine erfolgreiche Implementierung sind Zeit und intensive fachliche Auseinandersetzung mit curricularen Inhalten erforderlich. Es bedarf der institutionellen Strukturierung dieser Veränderungsprozesse im pädagogischen Diskurs im Rahmen der Tätigkeitsausübung.

Neue Lernorte vernetzen

Parallel erfordert der systemübergreifende pädagogische Ansatz eine Erweiterung der Lernorte innerhalb der Pflegeausbildung. Fachpraktischer Unterricht am dritten Lernort dient der Überwindung der Theorie-Praxis-Schranke. Im Lernlabor können Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben und experimentell eingeübt werden und zwar im geschützten Raum. Der Schlüssel zur Kompetenzorientierung liegt hier genauso wie im theoretischen Unterricht in der Schaffung von berufstypischen Situationen oder Fällen, durch die die Auszubildenden mit bestimmten komplexen Handlungsanforderungen in Berührung kommen. Diese müssen im praktischen Lernort eine Vertiefung und angemessene Begleitung der Auszubildenden durch Praxisanleiter erfolgen.

Abschlussprüfungen

In Berlin werden Verbundprüfungen gewünscht und angestrebt. Lehrende müssen in ihrer Arbeitszeit die Möglichkeit des kollegialen Austauschs mit Kollegen anderer Schulen bekommen, um Aufsichtsarbeiten für die schriftlichen Abschlussprüfungen zu erstellen. Fahrtwege und rahmende Bedingungsfelder sind in die chronologischen Planungen einzubeziehen. Zeitgleich werden die neuen Prüfungsformate für die mündlichen und praktischen Abschlussprüfungen schulintern im Kollegium jeder Pflegeschule entwickelt. Die von der SenWGPG formulierten Festlegungen zur Anmeldung und Zulassung zur staatlichen Prüfung ist durch eine Fülle an überbordender Bürokratie gekennzeichnet. Die Flut an bereitzustellenden Ausbildungsnachweisen ist für die Pflegeschulen kaum zu stemmen. Wir wünschen uns an dieser Stelle eine deutliche Entbürokratisierung der Prozesse.

Praxisanleitung

Praxisanleitende sind ein bedeutender Faktor für erfolgreiche Pflegeausbildung. Sie müssen u.a. im Rahmen der Praxisbegleitung betreut und in die neuen Strukturen eingebunden werden. In Bezug auf die neue Ausbildung herrscht Lernbedarf. Die Praxisanleitenden sind darüber hinaus jährlich mindestens 24 Stunden verpflichtend fortzubilden. Die Konzeption und Durchführung der Fortbildungen wird von den TpA sinnvollerweise häufig an die Schulen delegiert. Diese müssen dafür aber auch Kapazitäten aufbauen und binden. Die Professionalisierungsprozesse der Praxisanleitenden gibt es nicht zum Nulltarif.

Zunehmende Heterogenität der Auszubildenden

Zur Heterogenität der Auszubildenden kann man ergänzen, dass die eingebrachten Lernvoraussetzungen auch durch kulturelle und milieuspezifische Aspekte sowie soziale Probleme begrenzt werden. Dies erfordert in zunehmendem Maße Lernberatung und soziale Arbeit in Schulen. Ohne Zeit kann den Lernenden diese Unterstützung nicht zuteilwerden.

Berliner Pflegekammer

Bereits im Jahr 2014 haben sich ca. 60% der befragten Pflegenden in einer Studie zur Akzeptanz einer Pflegekammer im Land Berlin positiv geäußert. In der von der Alice Salomon Hochschule formulierten Schlussbetrachtung empfahl diese einen weiteren öffentlichen Fachdialog. Leider ist die Diskussion über eine Pflegekammer im Land Berlin von Seiten der Politik zum Erliegen gekommen. Erst im November des vergangenen Jahres gewann das Thema durch einen von der CDU-Fraktion eingebrachten Gesetzentwurf im Berliner Abgeordnetenhaus wieder an Relevanz.

Die Gründung einer Berliner Pflegekammer ist ein notwendiger Schritt für die Wertschätzung der Berufsgruppe und die damit verbundene Selbstverwaltung der professionell Pflegenden. Letztere gilt auch im Hinblick auf die Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Daher fordern wir die im Land Berlin zur Wahl stehenden Parteien auf, sich zur Implementierung einer Berliner Pflegekammer zu bekennen und diese zeitnah zu errichten.

Im Namen des Vorstands

Anna Schlicht M.A. Schulmanagement

Vorstandsvorsitzende

Stephan Heske M.A.

Gesundheitspädagogik und Bildungsmanagement

Vorstandsmitglied

Christoph Steinbrügge Dipl.-Berufspäd. (FH)

Vorstandsmitglied

Manuela Ulrich M.A. Schulleitungsmanagement

Vorstandsmitglied

Beate Lehmann Dipl.-Pflegepäd.

Vorstandsmitglied