Aktuelles aus der Kampagne
Es ist kurz vor Weihnachten - Zeit für ein wenig Ruhe, Besinnung und die Zeit, innezuhalten und zum Gegenüber zu schauen. Zeit für gegenseitigen Respekt und Wertschätzung. Dem schließen wir uns als Kampagnenteam von #PflegeJetztBerlin mit unserem Newsletter-Thema Wertschätzung in der Pflege an und nutzen den Moment für einen kleinen Jahresrückblick und für zwei wichtige Schwerpunkte, die beide eng, wenn auch polarisierend und negativ konnotiert, mit der Frage nach Wertschätzung zusammenhängen: Wie ist der Ausdruck für Wertschätzung durch den Pflegebonus gelungen? Warum gibt es Gewalt gegenüber Pflegekräften und wie begegnen wir dieser?
Lassen Sie sich mitnehmen von den Guten Beispielen zum Monatsthema, die diesmal aus dem Elisabeth Krankenhaus Recklinghausen „Rollentausch – Chefarzt im Kasack“ sowie von den DRK-Kliniken Berlin und dem Vivantes Klinikum Spandau zu ihren Varianten des Deeskalationsmanagements kommen.
Das Kampagnenteam möchte gern die Kampagnenwebseite, den Newsletter und die Wirksamkeit der Projekte bewerten und evaluieren. Da Weiterentwicklung nur mit der Rückmeldung der Nutzer/-innen und Leser/-innen möglich ist, bitten wir Sie, sich 5 Minuten Zeit zum Ausfüllen des Feedback-Fragebogens zu nehmen.
Herzlichen Dank!
Wie erging es der Pflege im Jahr 2022? Das Jahr war weiterhin geprägt von erschwerten Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. So waren sie in der Betreuung und Pflege von Patienten/-innen und Bewohner/-innen mit einer Covid-19 Infektion durch erhöhte Hygienemaßnahmen, durch den erhöhten Betreuungsaufwand und das erhöhte Risiko einer Eigeninfektion in besonderem Maße belastet und erkrankten zudem selbst aufgrund ihres exponierten Arbeitsplatzes in hoher Zahl an Covid-19. So waren laut aktuellem BARMER Pflegereport im Jahr 2022 mehr Pflegefachkräfte in Pflegeheimen an Corona erkrankt als je zuvor(Abbildung 1) (BARMER-Pflegereport, 2022).
Da Pflegekräfte während der Pandemie eine herausragende Leistung erbrachten, verlieh die Bundesregierung ihrer Anerkennung für diesen Einsatz Ausdruck und stellte entsprechend dem Koalitionsvertrag je 500 Millionen Euro für den Pflegebonus im Bereich der Krankenhäuser und der Pflegeeinrichtungen zur Verfügung.
Kritik wurde laut, als es zur Verteilung dieses Bonus kam, deren Systematik in der Umsetzung kaum bürokratischer und unruhestiftender hätte sein können. So kritisierten Pflegeverbände und Pflegevertretende die ungleiche Verteilung. Denn gerade einmal 837 der bundesweit 1400 Kliniken erfüllen dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zufolge die Kriterien für den Zuschuss, nach denen sie im Jahr 2021 „besonders belastet“ gewesen sein müssen, also mehr als zehn Covid-Patienten/-innen länger als 48 Stunden beatmet haben. In den ausgewählten Häusern wurden laut Gesetz allerdings nicht alle Pflegende bedacht, sondern nur zwei Gruppen: Pflegefachkräfte, die im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen beschäftigt gewesen sind sowie Intensivpflegefachkräfte, die im Jahr 2021 für mindestens drei Monate in der Intensivpflege tätig waren (Steinrücken, 2022). Eine ähnlich sorgfältig unterscheidende Vorgabe gab es für die Pflegeeinrichtungen. Dabei wurden viele Mitarbeitende in Kliniken und Pflegeheimen nicht berücksichtigt, denen die Pandemie ebenfalls Mehrarbeit aufbürdet: etwa Pflegehelfer/-innen, Azubis und FSJler, Pflegefachkräfte in der Notaufnahme, im Operationssaal und in der Psychiatrie, Rettungssanitäter/-innen, Hebammen und Reinigungskräfte.
Auch der Verband der Pflegedirektoren und Pflegedirektorinnen der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands (VPU) wendete sich kürzlich in einer Stellungnahme an den Bundesgesundheitsminister und kritisiert die unprofessionelle Umsetzung einer vermeintlich gut gemeinten Wertschätzung. So führte die gefühlte und faktische Ungleichbehandlung zu Konflikten in den Teams vor Ort und somit, neben dem hohen Bürokratieaufwand, zu einem zusätzlichen Zeitaufwand für Konfliktmanagement auf der Managementebene. Ob sich diese eh schon angespannte Lage der beruflich Pflegenden einen solchen Bruch durch die Ausschüttung des Coronabonus leisten kann, ist fraglich. So prognostiziert der Verband weitere Verluste von Mitarbeitenden in Gesundheitseinrichtungen über alle Versorgungsbereiche hinweg und fordert ausdrücklich ein künftiges Einbeziehen der Berufs- und Managementverbände bei solchen Regelungen, da sie die Interessen aller Gesundheitsfachberufe vertreten.
Ob wegen, trotz oder verstärkt durch Corona – eine negative Facette des Pflegeberufes, der #PflegeJetztBerlin in diesem Newsletter besondere Aufmerksamkeit widmet, ist das Thema „Gewalt gegenüber Pflegenden“ als absurder Kontrast zur Wertschätzung.
In der Tat ist Berliner Pflegepersonal oft Zielscheibe von aggressiven Patienten/-innen und Besuchern/-innen. So rücken Polizisten/-innen in Berlin mehr als 8000-mal im Jahr (mehr als 20-mal pro Tag) zum Einsatz in einem Krankenhaus aus. Die Statistik der Polizei verzeichnete Angriffe, Pöbeleien, Bedrohungen und Verletzungen gegenüber Ärzten/-innen, Pflegekräften und Rettungssanitätern/-innen mit steigender Tendenz der sog. Opferdelikte: 2020 (790 Fälle), 2021 (über 823 Fälle), und im laufenden Jahr lagen bereits Ende Juli 441 solcher Taten vor (Schmedt, 2022). Am häufigsten erfolgen die Übergriffe von Patienten/-innen oder deren Verwandten oder Freunden/-innen (rbb, 2022).
Großkliniken in der Innenstadt sind mit Abstand am häufigsten betroffen. Die Vivantes-Klinik Friedrichshain zählte die meisten Polizeieinsätze: Fast 600 Einsätze im vergangenen Jahr. Rund 500 Einsätze gab es im Klinikum Neukölln und 480 im Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge in Lichtenberg, dort häufen sich die Einsätze wegen der großen Psychiatrie. Stark belastet sind auch die Charité-Standorte in Wedding und Mitte (rbb, 2022; Welt, 2022).
Die Gründe, warum es zu Aggressionen und Gewalthandlungen kommt, sind vielfältig. So können Unwissen, Überforderung, chronische Überlastung oder Hilflosigkeit Konflikte hervorrufen. Oft spielten zudem in der Berliner Statistik alkoholisierte Patienten/-innen, psychiatrische Fälle, Diskussionen um die Maskenpflicht und Clan-Aufläufe eine Rolle. Die meisten Einsätze finden in den Rettungsstellen statt. Die überaus defizitäre Personalsituation in den Notaufnahmen trägt ihr Übriges dazu bei. Denn Überlastung durch Personalmangel ist ein ebenso Gewalt begünstigender Umstand (Tagesspiegel Background, 2021).
Der Ruf nach einem schärferen Vorgehen wurde zuletzt auf der Generalversammlung des Weltärztebundes (World Medical Association, WMA) im Oktober 2022 laut. Die Investition in wirksame Schutzkonzepte, in das Wohlbefinden und in die Arbeits- und Lebensbedingungen von Angehörigen der Gesundheitsberufe wurde dort gefordert. Zudem ist der Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit unter den Betroffenen vorhanden.
Die AOK will mit ihrer Aktion “Gewaltfrei Pflegen“ gemeinsam mit Partnern/-innen aus der Pflegebranche und Pflegeverbänden Gewalt aus der Tabuzone holen. Dafür will die Krankenkasse über das Thema aufklären, Hilfsangebote vorstellen, erfolgreiche Konzepte und Ansätze aus der Pflegepraxis präsentieren sowie Präventionsmöglichkeiten für pflegebedürftige als auch für pflegende Menschen aufzeigen.
Bemühungen zur Gewaltprävention kommen aber auch direkt aus der Praxis, wie die „Guten Beispiele“ aus den DRK-Kliniken Berlin und dem Vivantes Klinikum Spandau zeigen. Sie tragen dazu bei, dem Thema Gewalt gegenüber Pflegepersonal proaktiv zu begegnen und somit die Arbeitsbedingungen zu verbessern und sind ein wichtiges Signal für Wertschätzung in der Pflege.
Das Thema Wertschätzung hat auch das Bundesministerium für Gesundheit in einem Forschungsprojekt „Kompetenzkommunikation und Wertschätzung in der Pflege“ (KoWeP) Aufmerksamkeit erfahren. Denn die gesellschaftliche Wertschätzung eines Berufs hängt stark von der Fähigkeit ab, eigenes Handeln und dafür benötigte Kompetenzen in der Öffentlichkeit verständlich zu beschreiben. Studien zeigten, dass Pflege- und Altenpflegefachkräfte ihre Tätigkeit häufig negativ und ihre fachliche Expertise nicht angemessen darstellen, was dazu beiträgt, dass Anforderungen, Komplexität und positive Erlebnisse innerhalb dieser Berufsbilder in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt sind. Darunter leiden die Anerkennung und Attraktivität des Pflegeberufs in der Öffentlichkeit. #PflegeJetztBerlin hat sich mit der Forschungsgruppe an der Frankfurt University of Applied Sciences ausgetauscht und berichtet im Gastbeitrag zum aktuellen Forschungsstand. Die Projektlaufzeit läuft vom 02.01.2021 bis zum 30.04.2023. Der in dem Projekt erstellte Handlungsleitfaden wird nach Fertigstellung niederschwellig verfügbar gemacht.
Konkrete Projektarbeit
Wie bereits im November-Newsletter berichtet, bemühte sich #PflegeJetztBerlin um eine/n Referenten/-in des LAGeSo, um zum 2. Austauschtreffen zum Thema „Gewinnung ausländischer Pflegekräfte“ der BARMER über die zur Systematik und Dauer von Anerkennungsverfahren in Berlin für den Referenzberuf Pflege zu berichten. Das Format ist ein offener Austausch und Vertreter/-innen aus der Praxis sind sehr willkommen und aufgrund ihren praxisnahen Erfahrungen sehr gewinnbringend für die Veranstaltung.
· Gäste:
Frau Mikoleit (LAGeSo – Anerkennung),
Herr Cardenas-Rodriguez (Lingoda GmbH – Qualifizierung internationaler Pflegekräfte),
Herr El-Masri (AMIF – Förderung im Bereich internationales Recruiting und Sprachförderung)
· Wo:
BARMER, Axel-Springer-Str. 44 - 50, 10969 Berlin
· Wann:
Mittwoch, den 25.01.2023 – 14:00 bis 16:30 Uhr
· Teilnahme:
Name, Mailadresse, Telefonnummer, Firma und Ihre Fragen an die Speaker bis zum 13.01.2023 an: martin.pallokat@barmer.de
In den Fachmagazinen Health & Care Management (Ausgabe 07/2022) und CARE Konkret (Ausgabe 47) wurde der BKG-Artikel „Zeitarbeit in der Pflege ist auch keine Lösung“ veröffentlicht.
Der Artikel ist ein Nachklapp zur BKG-Fachveranstaltung „Zeitarbeit in der Pflege“ am 23. August 2022 und beschreibt die problematischen Folgen des übermäßigen Einsatzes von Zeitarbeitskräften in der Pflege. Diese sind nämlich nicht nur ein erhebliches Kostenproblem für Klinikträger und führen zu wachsendem Unmut in der Stammbelegschaft, sondern ziehen ebenso problematische Folgen für die Versorgung der Patienten nach sich...
Anlässlich eines Aufrufes einer allgemeinbildenden Schule nach Praktikumsplätzen können freie Praktikumsplätze für ein Schülerpraktikum (Klasse 9 – 12) an pflege@bkgev.de mitgeteilt werden, welche dem Schulbüro/Sekretariat direkt übermittelt werden. Dabei liegt besonders bei den Schülern/-innen in der 11. und 12. Klasse der Schwerpunkt auf ein Praktikum im sozialen Bereich. Die Dauer des Praktikums umfasst 2-3 Wochen. Das Kampagnenziel von #PflegeJetztBerlin ist es, weitere allgemeinbildende Schulen aufzusuchen und noch niedrigschwelliger zum einen freie Praktikumsplätze aus den Einrichtungen anzubieten und zum anderen Termine mit den Schulsekretariaten für „Role Model“ Besuche in den Klassen zu vereinbaren.
Im November widmeten wir uns einem sehr bedeutenden Thema. Die BKG und #PflegeJetztBerlin unterstützen als Mitunterzeichnerin die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland. Am 18. November 2022 fand das 5. Berliner Hospizforum des Hospiz- und Palliativ Verbands Berlin e.V. statt. Auch die BKG nahm als Fachreferent zum Thema „Hospiz- und Palliativversorgung im Krankenhaus – Aktuelle Ergebnisse für die Region Berlin“ teil. Der Vortrag ist hier abrufbar.
Die BKG konnte im Jahr 2022 weitere sechs Krankenhäuser gewinnen, die im Dezember 2022 die Charta zur Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland am 15.12.2022 zu 5-jährigen Jubiläumssitzung der AG Umsetzung Charta in der Senatsverwaltung unterzeichnen werden.
Wir laden auch Sie ein, den Charta-Prozess mit zu unterstützen und eine Unterzeichnung der Charta als Einzelperson oder als Organisation zu erwägen!
Den Fachvortrag finden Sie hier.
Ausblick
Im Januar 2023 beginnen wir das neue Jahr mit einem politischen Auftakt und laden Sie im Januar-Newsletter anlässlich der Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 in eine kleine Wahlkampfarena ein. #PflegeJetztBerlin befragt die pflegepolitischen Sprecher/-innen der Parteien nach ihren Antworten auf die Frage "Pflege in der Wahl - Wiederholung oder Verbesserung?"
Verfasserin: Juliane Ghadjar, Kampagnenkoordinatorin #PflegeJetztBerlin
Literatur:
Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) (2022): Berliner Krankenhauspersonal wird immer häufiger attackiert. In: rbb Online, Ausgabe 18.08.2022, 08:02 Uhr. Berlin: Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) Anstalt des öffentlichen Rechts. Online verfügbar unter: https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/08/berlin-krankenhaeuser-pflegepersonal-angriffe-von-patienten.html, Zugriff: 02.12.2022
Schmedt, M. (2022): Gewalt gegen medizinisches Personal. Kein neues Phänomen. In: Deutsches Ärzteblatt, 119(35-36): A-1437 / B-1201. Online verfügbar unter: Gewalt gegen medizinisches Personal: Kein neues Phänomen (aerzteblatt.de), Zugriff: 14.12.2022
Steinrücken, M. (2022): Coronabonus spaltet Pflegeberufe - auch in Reutlingen. In: Reutlinger Generalanzeiger, Hauptausgabe: 22.11.2022. Reutlingen: Reutlinger General-Anzeiger Verlags-GmbH & Co. KG. Online verfügbar unter: https://www.gea.de/welt/politik_artikel,-coronabonus-spaltet-pflegeberufe-auch-in-reutlingen-_arid,6686098.html, Zugriff: 01.12.2022
Tagesspiegel Background (2021): Pflegebedürftige wirksamer vor Gewalt schützen. In: Tagesspiegel Backround. Gesundheit & E-Health, Ausgabe 16.11.2022. Berlin: Verlag Der Tagesspiegel. Online verfügbar unter: https://background.tagesspiegel.de/gesundheit/pflegebeduerftige-wirksamer-vor-gewalt-schuetzen, Zugriff: 02.12.2022
Welt (2022): Körperverletzung, Nötigung – Mehr als 8000 Polizei-Einsätze pro Jahr. In: Welt. Politik. Deutschland. Ausgabe: 13.08.2022. Berlin: Axel Springer ES. Online verfügbar unter: https://www.welt.de/politik/deutschland/article240459821/Berliner-Kliniken-Mehr-als-8000-Polizei-Einsaetze-pro-Jahr-Innenstadt-besonders-betroffen.html, Zugriff: 02.12.2022