Interview mit Maja Schäfer zur Anti-Leasing-Kampagne der DRK Kliniken

Anti-Leasing-Kampagne: Leasingkräfte in die Festanstellung zurückgewinnen

Die Debatte um das Leasing in der Pflege allein auf politischer Ebene auszutragen und langfristig auf eine bessere Regulierung zu hoffen, scheint den DRK Kliniken Berlin nicht genug. Denn währenddessen ziehen Leasingfirmen durch exzessives Marketing immer mehr Pflegekräfte aus der Festanstellung ab und manifestieren einseitige Sichtweisen (z. B. nur als Leasingkraft sei ein Pflegejob noch erträglich). Die Idee: eine Anti-Leasing-Kampagne in den Social Media. Im Interview erzählt Maja Schäfer, Leiterin Strategisches Recruitment bei den DRK Kliniken Berlin, mehr über die Hintergründe.

Welche Ziele verfolgen Sie mit der Anti-Leasing-Kampagne?

Leasing, Leiharbeit, Zeitarbeit macht Gesundheitsunternehmen zu schaffen, und wir haben festgestellt, dass unter Pflegekräften viele Irrtümer und Halbwissen dazu kursieren. Mit unserer Kampagne wollen wir intern wie extern aufklären, Abwanderung ins Leasing verhindern, Leiharbeiter*innen in eine Festanstellung zurückgewinnen und den Marketing-Aktivitäten der Leasingfirmen etwas entgegensetzen. Das durchaus ebenso „pointiert“ wie die Leasing-Unternehmen bei der Darstellung ihrer Sichtweisen.

Die Kampagne nutzt uns aber auch, um Google-Anfragen zum Thema Leasing abzufangen und auf unser Karriereportal umzuleiten. Dort können wir die Bewerber*innen dann vielleicht überzeugen, doch lieber einen Job bei uns anzunehmen als sich bei einem Personalvermittler zu registrieren. Außerdem wollten wir unseren Führungskräften Argumente und Material an die Hand geben, mit dem sie Leiharbeitende in ihren Abteilungen in eine Festanstellung zurückgewinnen können.

Woraus besteht die Anti-Leasing-Kampagne?

Die Anti-Leasing-Kampagne der DRK Kliniken Berlin basiert auf zwei Karriereblogartikeln, in denen wir Argumente zusammengetragen haben, warum Leasing nicht dauerhaft glücklich macht (Zu den acht Gründen). Und warum viele Fachkräfte aus den falschen Gründen ins Leasing gehen (Zu den sechs Argumenten). Die insgesamt 14 Beiträge werden als Social Media-Serie mit eigenen Kampagnengrafiken mit einem Abstand von einer bis zwei Wochen veröffentlicht.

Die Argumente sind nicht aus Sicht und in der Sprache von Unternehmen, Lobbyverbänden oder Politik formuliert, sondern aus Sicht der Pflegefachpersonen selbst. Auf der Suche nach einer griffigen Headline sind wir von „Leasing ist auch nicht die Lösung“ schließlich zu „POV: Wenn Du vom Leasing in die Festanstellung wechselst…“ gekommen. Auch hier greifen wir die Kommunikationsform der Zielgruppe auf.

Wir vertrauen bei der Veröffentlichung rein auf eine organische Reichweite. Bei LinkedIn haben wir pro Beitrag bisher bis zu 2.400 Aufrufe erreicht, bei Instagram bis zu rund 2.000 Insights. Bezahlte Social Media-Beiträge oder Werbeschaltungen sind erstmal nicht geplant. Aber es gibt eine Karte mit QR Code zu den o.g. Texten und Kontaktinfos für Interessent*innen. Diesen haben wir den Pflegedienstleiterinnen, Abteilungsleitungen, Chefärzt*innen und anderen Führungskräften zur Verfügung gestellt. Wenn Leasingkräfte in den Teams Interesse an einer Festanstellung signalisieren, können sie ihnen nun etwas in die Hand geben. In einem speziellen Fall (Zentral OP der DRK Kliniken Berlin Köpenick), wo mehrere Mitarbeitende im Team fehlten und mehrere gute Leasingkräfte aufgefallen waren, packten wir sogar kleine Geschenkpakete, die neben dem Flyer ein DRK Kliniken Berlin-T-Shirt und -Basecap enthielten.

Welche Reaktionen gab es bisher auf die Anti-Leasing-Kampagne?

Wir haben jetzt ungefähr „Halbzeit“. Sehr gefreut haben wir uns, dass sich das Marienhospital Aachen inspiriert gefühlt und bei uns gemeldet hat. Sie bereiten dort eine ähnliche Kampagne vor. Und natürlich über das Interesse der Berliner Krankenhausgesellschaft bzw. von #PflegeJetztBerlin!

Eine umfangreiche Auswertung habe ich auf meinem Blog veröffentlicht. Zusammenfassend kann ich sagen, dass das Echo auf LinkedIn am größten ist, Instagram zurückhaltend reagiert und die Facebook- und TikTok-Communities wenig Interesse zu haben scheinen. Auf LinkedIn haben wir uns von 418 Ansichten und 18 Likes beim ersten Kampagnenbeitrag auf 2.400 organische (unbezahlte) Ansichten und 42 Kommentare beim sechsten (von 14 geplanten Beiträgen) gesteigert. Man braucht also eine ganze Content-Serie, um solche Kampagnen zu platzieren, denn erst durch das wiederhole Posten wird das Thema von den Follower*innen wahrgenommen.

Auf Instagram fiel lediglich auf, dass die Kampagnenbeiträge nur ca. ein Viertel bis ein Fünftel der Likes unserer Beiträge zu anderen Themen erhielten. Das kann man auf verschiedene Weise interpretieren. Vielleicht ist das Thema für die Wohlfühl-Plattform zu politisch. Vielleicht stimmt man unseren Aussagen nicht zu. Vielleicht traut man sich nicht, als Pflegekraft öffentlich und damit auch einsehbar für Arbeitgeber eine Position in der Leasingdebatte zu beziehen. Gesehen wird unsere Kampagne aber auch auf Instagram. Vereinzelte kritische Kommentare auf diesem Kanal kamen interessanterweise von Accounts ohne eigene Beiträge und Follower*innen – vielleicht extra angelegt, um anonym mitreden zu können?

Was steht in den Kommentaren und wie reagieren Sie?

Zunächst einmal muss eine solche Kampagne selbstverständlich sehr gut vorbereitet werden. Denn das Thema Leasing in der Pflege ist hochemotional besetzt. Es bietet viel Angriffsfläche für Social Media-Diskussionen. Ein Dreivierteljahr haben wir darum gebraucht, bis wir uns auf die Formulierungen für unsere Anti-Leasing-Kampagne geeinigt und sie intern umfangreich abgestimmt hatten. Die Herausforderung war, Klartext zu sprechen, ohne dabei unsachlich zu werden. Sich aus der Komfortzone herauszuwagen, auch in dem Wissen, dass es außerhalb auch mal unbequem wird.

Die Inhalte der Kommentare zu unserer Anti Leasing Kampagne sind gemischt. Es gibt sowohl gemäßigte als auch aufgebrachte Kommentare („Schwachsinn!“, „Eigentor!“, „Niveau von linker Hetzschrift!“). Es gibt sachliche Gegenargumente zu unseren Argumenten wie auch Vorwürfe. Bei der Reaktion auf die vielen kritischen Kommentare halten wir uns wie immer in der Social Media-Arbeit an unsere Kommunikationsregeln für Social Media-Manager: jedem Kommentator nur einmal antworten und keine ausführlichen Diskussionen online führen. Immer wieder auf die abgestimmten Formulierungen der Kampagnenbeiträge verweisen, anstatt persönlich und emotional zu werden. Sich für positive Kommentare oder sachlich-freundlich rübergebrachte Gegenargumente bedanken, um eine gute Diskussionskultur zu würdigen, etc.

OP Task Force Meeting mit Basecaps

Wichtig ist aber, sich nicht nur auf kritische, sondern auch auf positive Reaktionen gut vorzubereiten! Denn wenn wirklich eine Leasingkraft den Flyer in die Hand bekommt und sich beim Recruiting Team oder bei der Pflegedienstleitung meldet, um in die Festanstellung zu wechseln, muss vorab geklärt sein, wie dann verfahren wird. Zahlt das Unternehmen die Ablösesumme an die Leasingfirma oder muss die Pflegekraft erst dort kündigen und die Frist abwarten? Muss die Leasingkraft, wenn sie im Unternehmen schon im Einsatz war, trotzdem den normalen Bewerbungsprozess durchlaufen oder kann ein beschleunigtes Verfahren angeboten werden? Im Zentral OP der DRK Kliniken Berlin Köpenick stieß die Kampagne jedenfalls auf sehr positive Resonanz, die Leasingkräfte tragen ihre DRK Kliniken Berlin-Basecaps in den Meetings der OP Task Force (siehe Foto) und sind mit der Abteilungsleiterin im ständigen Austausch zu ihren Perspektiven.

Weitere Informationen auch auf: Stellenangebote der DRK Kliniken Berlin Westend, Mitte und Köpenick (drk-kliniken-berlin.de)

Ansprechpartnerin: Maja Schäfer, Leitung Strategisches Recruitment, DRK Kliniken Berlin, Mail: m.schaefer@drk-kliniken-berlin.de

Artikel- und Bildrechte: DRK Kliniken Berlin, Spandauer Damm 130, 14050Berlin

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