Ich möchte mich Ihnen kurz vorstellen. Mein Name ist Charlyn Branig, ich bin 38 Jahre alt, habe 2 Kinder und bin seit 5 Jahren bei einem Berliner Träger, der FSE Pflegeeinrichtungen gGmbH, als Belegungsmanagerin tätig. Insgesamt habe ich 13 Jahre als Krankenschwester in den Fachbereichen der Neurologie und Psychiatrie in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet.
1. Was war der ausschlaggebende Grund für ein Studium in der Pflege? Haben Sie zuvor eine Ausbildung in der Gesundheits- oder Krankenpflege absolviert?
Ich habe 2006 mein Examen zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in Berlin an der Wannsee-Schule absolviert. Rückblickend war das eine sehr gute Ausbildungsstätte. Als Azubi hatte man die Möglichkeit viele Krankenhäuser und verschiedenste Fachbereiche kennenzulernen. Somit konnte man auch gleich in Kontakt treten mit den neuen potenziellen Arbeitgebern. Nach den ersten Berufsjahren habe ich mich für ein Studium an der ASH (Alice-Salomon-Fachhochschule) entschieden, weil ich mich weiter qualifizieren wollte, um auch in anderen Berufsfeldern des Gesundheitswesens arbeiten zu können. Eine genaue Vorstellung hatte ich damals zwar noch nicht, aber ich wusste, wenn man sich erst einmal weitergebildet hat, würden sich eine Menge Möglichkeiten ergeben. Ich würde irgendwann meine Nische finden, die zu mir passen würde und in der ich meine Erfahrungen einbringen könnte.
2. Welches Studium haben Sie absolviert? Welche Voraussetzungen müssen mitgebracht werden? Wie sah die finanzielle Unterstützung aus?
Ich habe mich 2009 für ein Gesundheits- und Pflegemanagement Studium entschieden, da ich das für mich recht passend fand. Zudem konnte ich so auf meine Ausbildung und Berufserfahrung aufbauen. Ich wollte der Pflege auch nicht den Rücken kehren. Ich finde immer noch, dass der Pflegeberuf ein unglaublich vielseitiger Beruf ist, mit vielen Berufsfeldern und Weiterbildungsmöglichkeiten. Allein in meinem Freundeskreis gibt es so viele examinierte Fachkräfte, die in Sparten des Gesundheitswesens arbeiten, die man vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. Soweit ich weiß, gelten ein Abitur oder ein Fachabitur als Zugangsvoraussetzung. Eine abgeschlossene Berufsausbildung im Gesundheitswesen, zusammen mit einer mindestens fünfjährigen Berufserfahrung, zählt ebenfalls als Zugangsvoraussetzung für Menschen, die kein Abitur oder Fachabitur haben. Ich hatte beides und konnte somit einen Studienplatz an der ASH ergattern.
Neben dem Studium habe ich immer in der Klinik gearbeitet, um mein Netzwerk auszubauen und so viele Bereiche wie möglich in der Klinik kennenzulernen, die nicht in erster Linie etwas mit der klassischen Pflege zu tun haben. Durch die abgeschlossene Berufsausbildung war es verhältnismäßig leicht, mir mein Studium zu finanzieren, ohne auf den bereits erarbeiteten Komfort verzichten zu müssen. Sonst hat man auch die Möglichkeit sein Studium über einen Studienkredit oder über das Elternunabhängige Bafög zu finanzieren.
3. Welche theoretischen Kenntnisse aus Ihrem Studium konnten Sie in der Praxis anwenden? Inwiefern können Sie Ihre Kenntnisse direkt einbringen – oder müssen die Strukturen noch geschaffen werden?
Hm, ich kann ihnen gar nicht genau sagen, welche theoretischen Kenntnisse ich konkret in der Praxis anwenden konnte. Man lernt im Studium ganzheitlich zu denken, Weitsicht. Man fängt an über den Tellerrand zu schauen. Des Weiteren lernt man im Studium sich selbst Wissen anzueignen, Quellen zu hinterfragen und Prioritäten zu setzen. Hier und da waren auch die Studieninhalte hilfreich, um Prozesse besser verstehen zu können. Im Großen und Ganzen habe ich jedoch gelernt, mir selbst zu helfen. Ein weiterer wichtiger Punkt, den man im Studium lernt, ist das Netzwerken. Ein Punkt, der äußerst hilfreich für das spätere Berufsleben sein kann.
4. Welche Erfahrungen haben Sie in der Praxis mit Patient/-innen und Kolleg/-innen gemacht?
Ich habe schon immer den Patientenkontakt oder auch die Arbeit im Team gemocht, weil mich Menschen im Allgemeinen interessieren. Ich kümmere mich gern und bin hilfsbereit. Ich habe überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Vielleicht sind die positiven auch nur hängen geblieben, weil ich von jeher ein eher positiver Mensch bin. Aber man erlebt schon viele Skurrile Dinge in der Pflege. Meistens sind es komische Geschichten, die einen herzhaft lachen lassen. Selbst wenn mal etwas nicht so Schönes passiert, gibt es immer noch Kollegen, die einen wieder auffangen. Man erfährt Dankbarkeit von Seiten des Patienten oder den Angehörigen. Auch die Interaktion mit den Patienten oder Bewohnern ist immer wieder spannend und lässt den Arbeitsalltag nie langweilig erscheinen. Man muss sich auf jeden Typ Mensch innerhalb kürzester Zeit einstellen können. Sensibilität und Feingefühl sind da gute Grundvoraussetzungen. Zusammengefasst lässt sich sagen, wenn man freundlich ist und stets ein Lächeln auf den Lippen trägt, kommt man mit den meisten Menschen gut aus. Ob nun Patient oder Kollege.
5. Welche persönlichen Erwartungen an den Pflegeberuf als akademisierte Pflegekraft werden mit Ihrer Tätigkeit erfüllt, welche nicht?
Ich habe das große Glück eine Anstellung gefunden zu haben, die mir all das bietet, was ich mir beruflich gewünscht habe. Ich habe mein eigenes Arbeitsfeld. Ich arbeite in einem Team, habe Kontakt zu den unterschiedlichsten Berufsgruppen und kann beratend tätig sein. Ich habe allerdings durch das Studium die Möglichkeit bekommen, aktiv auf Prozesse, die den Pflegebereich betreffen, einwirken zu können. Als Belegungsmanagerin kümmere ich mich zusammen mit den Pflegeinrichtungen um Aufnahmen und Anfragen von Interessenten. Ich koordiniere und prüfe die Anfragen von Interessenten und die Belegung im Hinblick auf Liquidität, Diagnose und Wirtschaftlichkeit. Zu meinen weiteren Aufgaben gehören die Akquise-, Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit. Hin und wieder repräsentiere ich unser Unternehmen auch auf Messen oder in Schulen. Ich habe also ein Arbeitsfeld gefunden, das nicht weit weg von meinem ursprünglich erlernten Beruf ist. Ich kann meine Erfahrungen aus dem Studium und aus den vorangegangenen Berufsjahren einbringen und ich kann Prozesse im Unternehmen, die im Zusammenhang mit meinem Themengebiet stehen aktiv mitgestalten. Mehr kann man sich nicht wünschen.
6. Was würden Sie an den Strukturen ändern? Was müsste Deutschland verbessern, um akademisierte Pflegekräfte im Pflegealltag besser zu integrieren?
Das ist eine ganz schön schwierige Frage! Ich denke die eine Lösung gibt es nicht. Es ist letztendlich ein Zusammenspieler vieler Dinge. Ich finde es zum Bespiel sehr gut, dass die Pflegeausbildung reformiert wurde. Auch wenn es noch dauern wird, trägt es doch dazu bei, dass sich das Selbstbild der Pflege zum positiven Ändern wird. Es sollte auch anders über die Pflege kommuniziert werden. Wenn man nur die negativen Seiten darstellt, braucht man sich nicht wundern, wenn niemand in dem Beruf arbeiten will. Dabei ist Pflege so viel mehr, als das was überwiegend dargestellt wird. Die Vielseitigkeit ist den meisten Menschen gar nicht bekannt. Ein großer Fehler war die Abschaffung des Zivildienstes. Viele Menschen, die in der Pflege arbeiten, sind früher über den Zivildienst in diesen Beruf gerutscht. Eine attraktive Gestaltung des FSJs oder gar ein verpflichtendes Soziales Jahr könnte als sehr gute Orientierung für junge Menschen dienen und hat im Falle des FSJs dem einen oder anderen auch einen einfacheren Berufseinstieg gewährt. Ich denke auch das es hilfreich wäre den Personalschlüssel hochzusetzen. Somit würde sich die Arbeit wieder auf mehreren Schultern verteilen und man könnte den Patienten so versorgen, wie man es einmal gelernt hat. Das würde schon zu einer großen Zufriedenheit beitragen und den Druck rausnehmen. Die Idee eines Tarifvertrages in der Pflege ist auch eine Gute Idee. Jedoch hätte man sich im gleichen Atemzug eine Regulierung für den Leasingmarkt überlegen sollen. Das Angebot jemanden leasen zu können, um einen Ausfall ersetzen zu können, ist grundsätzlich ein gutes Prinzip. Wenn jedoch der Großteil der Pflegekräfte in diese Firmen abwandert, haben Krankenhäuser und Pflegeinrichtungen ein Problem. Zudem sorgt es für Unmut in der gesamten Pflegebranche. Neben der Pflegequalität sinkt auch noch die Arbeitsmoral. Anpassung der Gehälter, Verbesserung der Arbeits-bedingungen sind wesentliche Dinge, denen sich angenommen werden muss. Des Weiteren spielen auch die weichen Faktoren eine zunehmend wichtigere Rolle. Denn diese weichen Faktoren tragen im Wesentlichen dazu bei, ein angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen und letztlich für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen. Dazu gehören neben Benefits und familienfreundliche Dienstplangestaltung, unterstützende Angebote, z.B. bei der Kitaplatzsuche etc.. Auch die Kommunikation im Unternehmen spielt eine wichtige Rolle. Wie wertschätzend wird miteinander umgegangen.
Grundsätzlich sollte positiver über die Pflege gesprochen werden. Über die Hilfsangebote, über die verschiedensten Arbeitsbereiche in der Pflege, über die Bedeutung dieser Arbeit. Denn jedem sollte doch klar sein, wie wichtig es ist seine Eltern, Kinder oder Freunde gut versorgt zu wissen, wenn einmal die Versorgung durch qualifiziertes Pflegepersonal notwendig wird. Die Politik müsste mehr Geld in das Gesundheitswesen investieren, damit für Pflegeträger oder auch Krankenhäuser die Möglichkeit besteht, mehr in die Pflege ihres Personals zu investieren.