Der Anspruch an die Pflegearbeit nimmt seit Jahren stetig zu – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Auf der einen Seite stehen komplexe Krankheitsbilder und die immer älter werdende Bevölkerung. Auf der anderen Seite stehen politische Vorgaben, Kostendruck und Bürokratie. Das heißt für Pflegekräfte, sie müssen sich nicht nur interdisziplinäres Fachwissen aneignen, sondern auch betriebswirtschaftlich und strategisch denken. Es wird deutlich, dass der Pflegeberuf so viel mehr ist als nur in einem unterbesetzten Team zu viele Menschen notdürftig zu betreuen.
Wie kann uns die Akademisierung da weiterhelfen?
Wir denken eine breite Akademisierung würde das Ansehen des Pflegeberufs in der Bevölkerung und in der Politik steigern. In den allermeisten Ländern der Welt ist Pflege bereits ein Studiengang mit vielen unterschiedlichen Spezialisierungen, der ein hohes Ansehen genießt. Warum dann nicht bei uns?
Betrachten wir die Chancen, die wir durch die Akademisierung beispielhaft hätten:
Die Pflegewissenschaft und -forschung entwickelt sich stetig weiter, Krankheiten werden effektiver denn je behandelt. Der benötigte Theorie-Praxis-Transfer ist zwingend notwendig, um die Patienten/-innen nach diesen Erkenntnissen mit höchster Qualität zu versorgen. Um den Informationsfluss sicherstellen zu können, sind akademisch ausgebildete Pflegende für uns unverzichtbar. Denn viele Pflegende haben sowohl während als auch nach der Arbeitszeit nicht die Möglichkeit, sich dieses Wissen fortlaufend anzueignen. Eine Position, die sich diesen Themen auch fernab der Arbeit am Patientenbett widmet, wäre daher ein großer Benefit. Sie könnte dieses Wissen strukturiert und standardisiert aufarbeiten, aktiv in den Austausch mit den Kollegen/-innen in der Patienten/-innenversorgung gehen und damit ein tiefgreifendes Verständnis und eine nachhaltige Implementierung bewirken.
Gleichzeitig können akademisierte Pflegekräfte aufgrund ihres Wissens Leitungskräfte der Stationen entlasten. Beispielsweise indem sie Pflegevisiten durchführen, dabei das Dokumentationssystem auf Praktikabilität prüfen und die Pflegequalität durch den stetigen Verbesserungskreislauf auf längere Sicht kontinuierlich erhöhen.
Generell unterstützt ein Studiengang in der Pflege dabei, Prozesse kritischer zu hinterfragen und Wissen für das eigene Berufsfeld auf konzeptioneller Ebene auszuarbeiten. Ziel ist schließlich immer die bestmögliche Patienten/-innenversorgung.
Aber hinter der Akademisierung steht auch häufig der Anschein vom „weg vom Patientenbett“, um eine höhere Eingruppierung zu erreichen und Aufstiegschancen hin zum Management zu haben. Könnte dadurch eine Klassengesellschaft in der Pflege entstehen?
Bisher wohl eher noch nicht. Leider sind akademisierte Pflegekräfte nicht in jedem Krankenhaus als eigenes Berufsbild etabliert. Viele von ihnen arbeiten am Bett ohne dieses Wissen eben genau da, vollumfänglich und für die Patienten/-innen und die Kollegen/-innen zu nutzen.
Woran genau liegt das? Liegt es an der Bezahlung? Ist das Ziel doch eher ‚raus aus der Pflege‘? Werden die Potenziale unsere Berufsgruppe als so essentieller Bestandteil in der Gesundheitsversorgung nicht gesehen?
Das Berufsfeld Pflege benötigt unserer Meinung nach ein eigenes Standing, eine eigene politische Plattform, um wie das ärztliche Berufsfeld als eigene Profession anerkannt zu werden. Durch die Vielzahl der Studiengänge, hat die Pflege die Möglichkeit an Selbstständigkeit zu gewinnen und erhielte zusätzlich mehr berufliche Autorität.
Wir brauchen studierte Pflegende, um unseren Berufsstand zu stabilisieren. Die Akademisierung wird uns dabei wahrscheinlich nicht aus dem Fachkräftemangel herauskatapultieren, sie ist aber eine gute Möglichkeit, dem Berufsbild mehr Ansehen und einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert zu verleihen. Sie unterstützt außerdem, die Qualität der Pflege dauerhaft und nachweislich auf ein angemessenes Niveau zu heben und den wissenschaftlichen Anschluss an die führenden Nationen nicht zu verlieren. Verbunden mit der Akademisierung ist für beruflich Pflegende aber auch eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung über die gesamte Berufslaufbahn hinweg essentiell.
Mitarbeiterinnen der Intensivstation als Co-Autorinnen:
Yasmin Fiebig (B. Sc. erweiterte klinische Pflege, Schwerpunkt Intensiv- und Anästhesiepflege)
Peggy Münch (B. A. Gesundheits- und Sozialmanagement, Stationspflegeleitung)
Annkathrin Blömker (B. A. Gesundheits- und Pflegemanagement, stellv. Stationspflegeleitung)
Senija Böhme (Gesundheits- und Krankenpflegerin, stellv. Stationspflegeleitung)
Ansprechpartnerinnen:
Susan Rosenbaum Carolin Pfalz
Pflegedienstleitung Fachreferentin der Pflegedienstleitung
Artikelrechte:
Sankt Gertrauden-Krankenhaus GmbH
Paretzer Straße 12
10713 Berlin
https://karriere.sankt-gertrauden.de