Neuanfang als Pflegefachkraft in Deutschland
Seit zweieinhalb Jahren leben Josephine Ann Castillo und Bryan Baricua in Berlin und arbeiten im Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) in Lichtenberg. Ein neues Land, eine neue Kultur und die Eigenheiten des Berlinerischen – das waren nur einige der Herausforderungen vor denen die beiden philippinischen Pflegekräfte auf dem Weg zur Berufsanerkennung in Deutschland standen.
Januar, 2020: Noch schnell ein Erinnerungsbild zum Abschluss und ein bisschen feiern mit den Kollegen. Nach einem guten halben Jahr in Deutschland haben Josephine Ann Castillo und Bryan Baricua und zwei weitere Kollegen ihre Prüfungen bestanden, um als gleichgestellte Pflegefachpersonen in Deutschland zu arbeiten. Anfang 2020 erhielten die ersten vier philippinischen Pflegekräfte im KEH ihre Anerkennungsurkunden. Im Laufe des Jahres 2020 folgten noch acht weitere. Sie alle sind in ihrem Heimatland ausgebildete Pflegefachkräfte. Doch weil der Abschluss in Deutschland nicht anerkannt ist, müssen sie ein Anerkennungsverfahren durchlaufen, um die Gleichwertigkeit ihrer Ausbildung nachzuweisen. Am Ende dieses Prozesses steht die Anerkennungsprüfung, die das gesamte Spektrum des Pflegeberufs umfasst. Die größte Herausforderung dieser Zeit? Die deutsche Sprache, da sind sich Castillo und Baricua einig. „Bevor ich nach Deutschland kam, hatte ich neben der Arbeit ein gutes Jahr Deutsch gelernt. Dann habe ich die Sprachprüfung gemacht und hatte das B2-Niveau. Als ich hier angekommen bin, war das dann alles ganz, ganz anders. Wir hatten keine Fachwörter gelernt, keine Umgangssprache – und kein Berlinerisch. Das war meine große Herausforderung“, erzählt Bryan Baricua. „Von meiner Seite aus dachte ich, dass ich schon ganz verständlich wäre, aber die anderen haben mich häufig nicht verstanden“, ergänzt seine Kollegin Josephine Ann Castillo. „Aber immer wenn ich eine neue Sprache gelernt habe, auch als Schülerin, war es mein Ziel die Sprache so gut zu sprechen, dass ich in dem Land auch arbeiten kann. Das war die Anforderung, die ich auch an mich selbst gestellt habe.“
Zwischen Behördendschungel und Stationsalltag
Auch der deutsche Behördendschungel stellte die beiden und ihre Landsleute vor eine große Herausforderung. „Im April und Mai 2019 haben insgesamt acht philippinische Pflegekräfte bei uns angefangen“, erklärt KEH-Pflegedirektor Uwe Kropp. „Die ersten Tage haben wir sie alle zu den verschiedenen Behörden begleitet. Auf dem Programm standen unter anderem die Ausländerbehörde, das Finanzamt und die Anmeldung in Berlin. Kontos mussten eröffnet werden. Das war eine besondere Herausforderung: Denn ohne festen Wohnsitz kein Konto und umgekehrt. Da hatten wir das Glück, dass unsere Schule ein eigenes Wohnheim hat. Dadurch lief zumindest der Teil mit den Wohnungen relativ komplikationslos. Trotzdem hat das alles viel Kraft gekostet.“ Kraft, die die philippinischen Pflegekräfte auch in ihrer ersten Zeit auf der Station brauchten. „Der Anfang ist immer schwierig, wenn ich in einer neuen Einrichtung arbeite. Ich denke dann immer, dass ich meine Konkurrenzfähigkeit zeigen muss. Dass die Leute mir zutrauen, dass ich die Arbeit gut erledigen kann. Die Station hat mir die Chance gegeben, dass ich zusammen mit dem Team arbeite. Ich habe mich nicht so gefühlt, als sei ich anders. Die Kollegen haben gleich versucht, mich ins Team einzubinden“, erzählt Castillo. Doch auch Tiefen gab es auf dem Weg zur Berufsanerkennung in Deutschland, besonders für Bryan Baricua: „Bei mir hat es nicht so gut geklappt. Es war schwierig am Anfang. Ich konnte nicht gut verstehen und ich war auch ein bisschen ängstlich, ob ich das alles kann. Die Kollegen waren zwar nett, aber ich habe nicht die Unterstützung bekommen, die ich gebraucht hätte. Nach drei Monaten habe ich die Station gewechselt. Da hat es dann super geklappt. Ich glaube nicht, dass ich die Prüfung ohne den Wechsel bestanden hätte.“
Ein anderer Arbeitsalltag
Zweieinhalb Jahre später arbeiten Josephine Ann Castillo und Bryan Baricua – genauso wie acht ihrer Kollegen, die gemeinsam mit ihnen von den Philippinen kamen – noch immer im Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge. Rückblickend sagt Castillo: „Der Neuanfang in der Pflege in Deutschland war nicht leicht. Ich habe mich jedoch darauf konzentriert, wie ich es möglich machen kann. Wie integriere ich meine fachlichen Kenntnisse und bisherigen Erfahrungen in einer neue Kultur? Wie kann ich mit der fortgeschrittenen Technologie arbeiten? Was mache ich, um mich an die neue Sprache zu gewöhnen? Diese Herausforderungen habe ich erlebt. Das war überwältigend und gleichzeitig spannend.“ Jede der philippinischen Pflegekräfte wurde vor allem in der Anfangszeit durch einen Mentor von Seiten der Klinik begleitet. Gerade in der Arbeitsweise gab es viele Umstellungen. „Das System hier in Deutschland ist ganz anders als auf den Philippinen. Dort machen wir zum Beispiel gar keine Grundpflege. Wenn man ins Krankenhaus geht, dann ist die ganze Zeit immer ein Angehöriger dabei. Das war am Anfang etwas ganz neues und schwieriges für mich in Deutschland. Krankheitsbilder und Medikamente, da ist vieles gleich, aber in den Philippinen machen wir einfach viel mehr Behandlungspflege.“, sagt Baricua. Und wie ist ihre allgemeine Sicht auf die Situation der Pflege in Deutschland? „Ich arbeite gerne als Pflegekraft hier“, sagt Castillo. „Allerdings würde ich sagen, dass die derzeitige Situation nicht gut ist. Die Überlastung der Pflegenden ist mir schon bewusst und ich glaube nicht, dass alle Auszubildenden in dem Beruf bleiben werden, weil die Arbeit einfach weniger Spaß macht. Dadurch sieht die Tätigkeit einfach nicht mehr so attraktiv aus. Auch ich überlege manchmal, ob Belastung und Entlohnung sich aufwiegen. Aber ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen. Deshalb hoffe ich, dass es bald zu Änderungen kommt und die Situation sich verbessert.“