Neue Kampagnenkoordinatorin
Moin Moin! Mein Name ist Anina Zeiger und ich bin die neue Koordinatorin der Kampagne #PflegeJetztBerlin. Vor meinem Einstieg in die Berliner Krankenhausgesellschaft habe ich ein duales Studium in der Pflege in Hamburg absolviert. Dieses beinhaltete ebenfalls den Abschluss als Gesundheits- und Krankenpflegerin, weshalb ich bereits viele pflegerische Herausforderungen miterlebt habe. Umso mehr freue ich mich, nun die Chance zu bekommen, mich den Herausforderungen auf einer neuen Ebene zu stellen und den Wandel aktiv zu begleiten.
Akademisierung der Pflege
In dieser Ausgabe des Newsletters der Kampagne #PflegeJetztBerlin widmen wir uns aufgrund ihrer jetzigen und zukünftigen Bedeutung der „Akademisierung der Pflege“. Folgende Herausforderungen haben wir dabei identifiziert.
Auch in diesem Monat belasten die Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie die Krankenhäuser sowie die stationären Pflegeeinrichtungen und die Pflegekräfte vor Ort und stellen sie vor neue Herausforderungen. Hinzu kommt, dass der weiterhin bestehende Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche eine adäquate Versorgung von Patient/-innen und Bewohner/-innen erschwert. Der Fachkräftemangel wirkt sich limitierend auf Leistungsangebot und Qualität aus. So machen wir uns mit der Kampagne weiter auf den Weg, um die Rahmenbedingungen im Pflegeberuf weiter zu verbessern und entsprechende Entlastungen für Pflegende zu schaffen, damit sie länger in ihrem Beruf bleiben, weiterhin mit Spaß und Einsatzbereitschaft ihrem Beruf nachgehen und schließlich mehr Zeit für die eigentlichen Pflegeaufgaben zur Verfügung haben.
Pflege ist nicht nur ein „klassischer Ausbildungsberuf“. Sie hat mit der hochschulischen Ausbildung das Potential, den demografischen Veränderungen und dem gesellschaftlichen Wandel entgegenzutreten. Hierbei spielt die Fortentwicklung des Gesundheitssystems eine bedeutende Rolle. Auch der Pflegeberuf wird sich in Zukunft aufgrund der sich ändernden Versorgungsstruktur bzw. dem Veränderungsbedarf anpassen müssen. Umso wichtiger ist, dass bereits heute der Weg dafür geebnet wird und alle Abschlüsse in der Pflege in der Versorgung weiterentwickelt werden. Die Anpassung von Strukturen und ein Neuzuschnitt von Handlungsbereichen aller an der Gesundheitsversorgung Beteiligten ist unabdingbar, um die Qualität der Versorgung zu optimieren und sich den künftigen Herausforderungen zu stellen. So ist es beispielsweise erforderlich, Aufgaben im System neu zu ordnen und den Pflegeberuf näher in den Fokus zu nehmen. Pflege ist längst ein hochkomplexer Beruf und die älter werdende Bevölkerung bringt für Pflegekräfte neue Herausforderungen mit sich. Chronische Erkrankungen und Multimorbidität nehmen zu. Der neueste Stand der Forschung muss mit betrachtet werden, um Lebensqualität und Mobilität zu erhalten. Hier könnten Pflegefachkräfte mit einem akademischen Hintergrund Lücken schließen, die oft zwischen Wissenschaft und Praxis bestehen und damit zu einer besseren Versorgungsqualität beitragen.
Was macht Akademisierung der Pflege aus? Ist Pflege in Deutschland überhaupt akademisch?
Die Akademisierung der Pflege beschreibt den Prozess der Weiterentwicklung der Pflege hin zu einer akademischen Ausbildung von Pflegekräften. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei dem Bestreben, akademische Pflegeberufe zu entwickeln und anzubieten, weit zurück. Die Probleme in der Umsetzung sind hierbei vielfältig und gehen von gesetzlichen Hindernissen bis hin zu einer eingeprägten Vorstellung des Pflegeberufes. Seit der Entstehung der Pflegeausbildung hat sich ein einheitliches Bild zum Pflegeberuf etabliert, ein Umdenken ist schwer vermittelbar. Hinzu kommen Hemmnisse durch zu wenig offen gestaltete, gesetzliche Rahmenbedingungen. Diese müssen erst neu entwickelt werden.
Probleme der Akademisierung in der Praxis
Aus der historischen Definition und Entwicklung des Pflegeberufes heraus, fällt es vielen Gesundheitseinrichtungen in der Praxis häufig schwer, akademisierten Pflegekräften adäquate Einsatzorte und -bereiche innerhalb der Stationen und Wohnbereiche zuzuweisen und ihnen entsprechend qualifizierte Aufgaben zu übertragen. Es gibt für die Hochschulabsolvent/-innen noch zu wenig Möglichkeiten, sich fachlich zu beteiligen, beruflich weiterzuentwickeln und durch evidenzbasierte Pflege neue wissenschaftliche Erkenntnisse einzubinden. Arbeitgeber stehen in der großen Verantwortung, diese ausgebildeten Kräfte in die Praxis zu integrieren. Dies erfordert eine konkrete Aufgabenzuweisung.
Generalistische Pflegeausbildung
Mit der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung im Jahr 2020, die die ehemaligen Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege in einer generalistischen Pflegeausbildung zusammenfasst, wurde der Pflegeberuf zunächst weiterentwickelt. Ziel der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung mit dem Pflegeberufegesetz (PflBG) ist, die Pflege attraktiver zu gestalten. Pflegekräfte sollen bereichsübergreifend eingesetzt werden können, ihre Berufsqualifikation im EU-Ausland automatisch anerkannt werden. Die generalistische Pflegeausbildung sieht eine Spezialisierung im dritten Ausbildungsjahr vor, die mit den Abschlüssen Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in, Altenpfleger/-in oder Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann beendet werden können. Jedoch zeigt sich immer wieder in der Praxis, dass es auch notwendig ist, die Akademisierung des Pflegeberufs zu fördern / voranzutreiben.
Angebot von Pflegestudiengängen in Deutschland
In Deutschland werden mittlerweile über 140 Pflegestudiengänge, wie z. B. Pflegewissenschaft, Präventions-Therapie-Rehabilitationswissenschaften, Pflegemanagement, Gesundheitsmanagement, Heilpädagogik, Pflegepädagogik, Gesundheits-& Sozialmanagement, Gesundheitspsychologie und Medizinpädagogik, Soziale Gerontologie u.v.m. angeboten. Dabei ist ein Studium in Vollzeit, Fernstudium, ein berufsbegleitendes Präsenzstudium und ein duales Studium möglich. Die ersten Studiengänge waren zunächst dual ausgerichtet, also eine Kombination aus Studium und Pflegeausbildung. Das 2020 in Kraft getretene Pflegeberufegesetz ebnete schließlich den Weg für das primärqualifizierende Pflegestudium. Seither ist es zusätzlich möglich, den Pflegeberuf im Rahmen eins Universitäts- oder Hochschulstudiums und darin integrierten Praxiseinsätzen zu erlernen. Die Studierenden schließen mit einem Bachelor sowie einer staatlichen Prüfung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann ab. Die wissenschaftliche Qualifizierung unter der Verantwortung einer Hochschule sollte der akademischen Pflege zugutekommen und neue Studienplätze schaffen. Dies gehört zu den erklärten Zielen der „Konzertierten Aktion Pflege“ der Bundesregierung. Allerdings sind weniger als 50 Prozent der Plätze dieser Pflegestudiengänge besetzt, wie im März 2021 der Deutsche Pflegerat (DPR) in einem gemeinsamen Statement mit der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) mitteilte.
Vergleich zum Ausland
Im Vergleich zu Deutschland ist das Angebot an Studienabschlüssen in anderen Ländern weiterentwickelt und breiter. Die Studiengänge werden dort mehr nachgefragt und zum Abschluss gebracht. In Großbritannien und in Schweden liegt der Anteil der Absolventen eines Jahrgangs mit einem Pflegestudium bei 100 Prozent. Hintergrund ist, dass bspw. in Großbritannien, Schweden, den Niederlanden und Kanada die Aus- und Weiterbildung von Pflegenden in den regulären Bildungsstrukturen verortet ist. In Deutschland hingegen hat die Pflege bis zum Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes eine berufs- und bildungsrechtliche Sonderstellung eingenommen.
Situation in Berlin
Im Bundesvergleich ist das Angebotsspektrum an Studiengängen in den Ländern Bayern und Berlin stärker entwickelt. Im Vergleich werden in anderen Bundesländern maximal an drei Hochschulen entsprechende Studiengänge angeboten. Die Umsetzung und die Ausführung der Studiengänge in der Praxis sind höchst unterschiedlich. Die Praxis wendet dabei diverse Konzepte an und baut auf unterschiedlichen Strukturen auf. In Berlin gibt es vier Anbieter von akademisierten Pflegestudiengängen. Beispielsweise bietet die Charité seit dem Wintersemester 2020/21 mit dem Bachelorstudiengang Pflege einen primärqualifizierenden Studiengang an, der zur eigenverantwortlichen und professionellen Ausübung der Pflege befähigt. Der Studiengang ist generalistisch ausgerichtet und qualifiziert für die allgemeine Pflege von Menschen aller Altersgruppen in verschiedenen pflegerischen Versorgungssettings. Gemeinsam mit der FOM-Hochschule haben die Alexianer den berufsbegleitenden Bachelor-Studiengang „Pflege“ (Bachelor of Arts) entwickelt. Die Evangelische Hochschule Berlin wirbt auch für den Studiengang Pflege mit dem Berufsabschluss Pflegefachfrau/Pflegefachmann. Darüber hinaus ist ein Studium mit dem Abschluss Bachelor of Nursing möglich. Des Weiteren richtet sich die Alice Salomon Hochschule mit dem Studium Bachelor Pflege an interessierte Bewerber/-innen. Eins haben die Anbieter gemeinsam: sie bieten alle ein Studium mit einer Anerkennung zum Pflegefachmann/zur Pflegefachfrau nach dem Pflegeberufegesetz an.
Gründe für ein geringes Interesse an Studienplätzen
Der Deutsche Pflegerat und die Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft nennen verschiedene Gründe für das geringe Interesse an Studienplätzen in der Pflege hierzulande. Zum einen werden die praktischen Einsätze von Studierenden der primärqualifizierenden Pflegestudiengänge anders als beim dualen Studium mit Ausbildungsbetrieb nicht vergütet, zum anderen fehlt es an ausreichender Kooperationsbereitschaft. Bei den Kooperationsverträgen von Hochschulen mit den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssen die Ausbildungsbetriebe die Praxisanleitung sicherstellen, erhalten hierfür aber keine Refinanzierung. Darüber hinaus muss es mehr Investitionen in die Infrastruktur der Hochschulen für Ausstattung und personelle Ressourcen geben.
Wie kann die Akademisierung der Pflege hierzulande vorangetrieben werden?
Das Angebot an Pflegestudiengängen muss weiter ausgebaut und gesetzliche Grundlagen für eine Vergütung der praktischen Einsätze im Ausbildungsbetrieb geschaffen und eine sichere Vergütung der Studierenden eingeführt werden. Mit der Erhöhung des Anteils an akademisch ausgebildeten Pflegekräften erfährt der Pflegeberuf eine Aufwertung und es können neue Arbeitsfelder geschaffen werden. Dies trägt nicht nur der Verbesserung der Qualität in der Pflege bei, sondern wirkt auch dem Fachkräftemangel entgegen. Um mehr Menschen für ein Pflegestudium zu gewinnen, müssten die praktischen Ausbildungszeiten bei den Pflegestudiengängen vergütet, die Praxisanleitung in allen pflegerischen Settings finanziert und die Qualifikation der Praxisanleitenden vergütet werden.
Vorteile eines Pflegestudiums
Ein Studium im Bereich der Pflege kann Karrieremöglichkeiten schaffen. So kann bspw. mit einem Pflegemanagementstudium der Aufstieg zur Pflegedienstleitung schneller erfolgen. Dies ist auch mit dem Studium des Advanced Practice Nurse möglich, da Absolventen mehr medizinische Aufgaben übernehmen dürfen und sich auf bestimmte Krankheiten spezialisieren. Das schafft bessere Verdienstmöglichkeiten. Bei Studiengängen, die sich auf Lehre, Betriebswirtschaft oder Beratung konzentrieren, sind direkte Einstiege im Managementbereich möglich.
Die Aufwertung, die der Pflegeberuf durch eine höhere Akademisierung erfahren kann, ist jedoch nicht nur finanzieller Natur. Ihre komplexe und anstrengende Tätigkeit verlangt Pflegekräften unabhängig von ihrem Ausbildungsgrad viel ab und sollte dementsprechend vergütet werden. Gerade die Pflegeplanung und -diagnostik bzw. Steuerung des Pflegeprozesses nimmt mit der Multimorbidität zu und stellt eine Herausforderung dar, die durch akademisierte Pflegekräfte besser bewältigt werden kann. Mit der Professionalisierung des Berufs kann ein neues Selbstverständnis der Pflegekräfte erzielt werden und zu einem besseren Austausch und Zusammenarbeiten zwischen Medizin (Ärzten) und Pflege führen. Kranken- und Altenpfleger/-innen führen schon jetzt verantwortungsvolle medizinische Tätigkeiten und nicht nur ärztliche Anweisungen aus. Den Pflegekräften wird eine hohe Verantwortung zugeschrieben, die keine Fehler in der Versorgung von Menschen erlauben lässt. Ein Hochschulstudium kann sie offiziell befähigen, eigenständiger und damit selbstbewusster zu agieren sowie stärker in fachlichen und berufspolitischen Diskursen aufzutreten. Somit wird der Pflege eine Stimme gegeben.