Gastbeitrag Dr. Antje Tannen, Max Rubner-Preis-Preisträgerin 2022

„Nursing based on Science - Science based on Nursing“

Mit dem Max Rubner-Preis fördert die Stiftung Charité seit 2009 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die innovative Ideen für Projekte einbringen, die der unternehmerischen Weiterentwicklung der Charité dienen sowie einen Mehrwert für die Gesellschaft generieren. Eine, der beiden verliehenen Auszeichnung im Jahr 2022 ging an Professor Jan Kottner und PD Dr. Antje Tannen vom Institut für Klinische Pflegewissenschaft mit dem Vorhaben Nursing based on Science – Science based on Nursing. Eine Plattform für den Wissensaustausch in der Pflege. Die Jury würdigte damit das Bestreben, den schnelleren Transfer von Ideen, Forschungsfragen und Forschungserkenntnissen zu begünstigen. Die so zu erreichende Verzahnung von Pflegepraxis, Pflegeforschung und Lehre fördert die wissenschaftsbasierte Weiterentwicklung der Pflege an der Charité.

Mehr Informationsaustausch zwischen Pflegepraxis und Pflegewissenschaft

Aktuelle Forschungserkenntnisse müssen insbesondere klinisch tätigen Pflegenden zugänglich sein, denn sie bieten Entscheidungshilfe und erhöhen die Handlungssicherheit. Gleichzeitig sollten Herausforderungen und Entwicklungsbedarfe der täglichen Versorgungsrealität maßgeblich für die Identifizierung von relevanten Forschungszielen sein.

Genau da setzt das von der Stiftung Charité geförderte Projekt „Nursing based on Science - Science based on Nursing“ an. Um die Bereiche Forschung, Lehre und direkte Patient*innenversorgung effektiver zu verknüpfen, wird an der Charité – Universitätsmedizin Berlin derzeit eine interaktive Informations- und Kommunikationsplattform entwickelt, welche zunächst ein gemeinsames Verständnis von evidenzbasierter Pflegepraxis vermittelt und das dazu notwendige Know-how zur Verfügung stellt (z. B. durch Erklärvideos, Glossare, Fortbildungsangebote). Damit soll vor allem deutlich gemacht werden, dass Studienergebnisse keine individuellen Entscheidungen ersetzen können, sondern, dass sie Pflegenden und Patient*innen eine Argumentationshilfe bieten können.

In diese Plattform können Pflegende der Charité Fragen aus dem klinischen Alltag eingeben, z. B. Unsicherheiten bei der Anwendung diagnostischer Maßnahmen, Hinterfragen der Wirksamkeit bestimmter Interventionen oder Ähnliches. Ein Team von Pflegeexpert*innen und Wissenschaftler*innen sichtet die eingehenden Fragen und stellt – sofern bereits verfügbar - z. B. Leitlinien, interne Verfahrensregeln oder aktuelle Übersichtsarbeiten zur Verfügung. Darüber hinaus werden Fragen, die nicht umgehend beantwortbar sind, gesammelt und in eine praxisorientierte Forschungsagenda eingeordnet. Daran schließt sich die Entscheidung über die weitere Bearbeitung an, z. B. Vergabe als Bachelor-, Master- und Promotionsthemen, Projektinitiativen bis hin zu – an den realen Versorgungsbedingungen orientierten -  Forschungsanträgen.

 

 

Warum Nursing based on Science?

Die pflegerische Patient*innenversorgung – insbesondere im Kontext der Maximalversorgung – ist durch eine hohe fachliche Spezialisierung, den Umgang mit innovativen Therapieverfahren und eine hohe Verantwortung für die Patient*innensicherheit z.B. im Zusammenhang mit komplexen technischen Anwendungen gekennzeichnet. Hinzu kommt der professionelle Anspruch, in einer personzentrierten Versorgung die psychosozialen und zwischenmenschlichen Bedürfnisse der Patient*innen und ihren Familien zu adressieren.

Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, ist es unerlässlich, sich fortlaufend weiterzubilden, denn einmal erworbenes Wissen aus der Ausbildung/ dem Studium ist nicht unbegrenzt gültig. Häufig fehlen jedoch Ressourcen für Kongressbesuche, Fortbildungen oder eigene Recherchen. Mit Hilfe der Plattform sollen Pflegende zunächst bei der Formulierung von Fragestellungen unterstützt werden, etwa indem sie die Zielgruppe, das Versorgungsproblem, die Intervention oder das Phänomen näher eingrenzen. Sofern bereits verlässliche Erkenntnisse zu der eingegebenen Fragestellung verfügbar sind, werden die Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Warum Science based on Nursing?

Nicht selten richten sich Forschungsaktivitäten nach Themen (und finanziellen Anreizen) von externen Auftraggebern oder offiziellen Ausschreibungen. Dabei rücken zwar auch zunehmend pflegerelevante Themen in das Blickfeld, jedoch ist die Perspektive von klinisch tätigen Pflegenden immer noch unzureichend berücksichtigt. In Deutschland gibt es weder eine aktuelle „Agenda für die Pflegeforschung“ (wie in der Schweiz) noch ein „National Institute of Nursing Research“ (wie in den USA). Damit jedoch praxisrelevante Interventionen oder Versorgungsmodelle evaluiert werden sowie patientenrelevante Phänomene und Endpunkte in die Forschungsanträge einfließen können, sollten Pflegende gehört werden, die 24/7 direkten Patient*innenkontakt haben und somit eine Schlüsselrolle in der Koordination von Versorgungsleistungen einnehmen. Mit Hilfe der Plattform werden Forschungsthemen gesammelt und in eine –zunächst charitéspezifische – Forschungsagenda überführt.

Ausblick

Wenn die Entwicklung der Inhalte und die technische Umsetzung (im Sinne eines user-centered Designs) abgeschlossen sind, wird das Projekt innerhalb der Charité nochmals intensiv bekanntgemacht. Erste Zwischenergebnisse werden für Anfang 2023 erwartet. Eine abschließende Evaluation sowie Empfehlungen für eine Verstetigung und ggfs. Ausdehnung des Projekts werden Ende 2023 vorliegen.

Die Projektpartner*innen erwarten, dass sich die Bereiche der Patient*innenversorgung, der hochschulischen Lehre und der pflegewissenschaftlichen Forschung mit Hilfe der Plattform weiter miteinander vernetzen und somit eine evidenzbasierte Pflegepraxis fördern. Die partizipativ angelegte Entwicklung von Forschungsanträgen kann ein Vorteil in der Bewerbung um Drittmittel sein.

Autor*innen: Tannen A., Ellerhausen T., Kottner, J.

Kontakt und Bildrechte:

PD Dr. Antje Tannen, MPH, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Klinische Pflegewissenschaft, Charité Centrum 1 für Human- und Gesundheitswissenschaften, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Email: antje.tannen@charite.de

www.klinische-pflegewissenschaft.charite.de

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