Es gibt derart heftige Angriffe auf Klinikbeschäftigte, wie schon in der Charité oder dem Essener St. Elisabeth-Krankenhaus, die lassen den Atem stocken. Doch ebenso belastend sind die leider schon alltäglichen verbalen, nonverbalen und eben auch körperlichen Übergriffe auf Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte.
97 Prozent des Personals in der Notaufnahme sind laut einer Studie schon einmal von Patientinnen und Patienten verbal, 87 Prozent körperlich attackiert worden. Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) veröffentlichte im Sommer 2024 unter dem Eindruck einer wachsenden Zahl von Vorfällen einen Leitfaden mit Handlungsempfehlungen und Praxistipps für Geschäftsführungen und Führungskräfte. Dank der Unterstützung von Praktikerinnen und Praktikern aus einzelnen Kliniken und eines Präventionsnetzwerks des NRW-Innenministeriums entstand eine Art Checkliste: Welche Formen von Gewalt gibt es? In welchen Klinikbereichen tritt Gewalt auf? Wo liegen wesentliche Handlungsfelder in Prävention, Intervention und Nachsorge? Der Handlungsleitfaden soll dabei lediglich Orientierung geben, wie umfassend Gewaltschutzkonzepte sein können oder ob es vor Ort konkreten Nachbesserungsbedarf gibt.
Grundlegend: Die Geschäftsführung muss eine Unternehmenskultur etablieren, die keinerlei Form von Gewalt toleriert, und gewaltpräventive Schritte ergreifen. Dazu zählen Maßnahmen auf organisatorischer, personenbezogener und auf baulich-technischer Ebene. Nur so können sich die Mitarbeitenden sicher am Arbeitsplatz fühlen. In zahlreichen Krankenhäusern haben sich bereits feste Abläufe, Präventionsmaßnahmen, strukturierte Dokumentation von Gewaltvorfällen und eine strukturierte Nachsorge gegenüber den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etabliert. Die zunehmende Gewaltintensität in der Gesellschaft erfordert jedoch immer wieder Anpassungen.
Eine essenzielle Erfahrung der beteiligten Expertinnen und Experten zeigt: Die intensive Auseinandersetzung mit der Gewaltprävention im Krankenhaus ist ein wichtiger Faktor, um Mitarbeitende für das Krankenhaus zu gewinnen beziehungsweise sie zu binden. Zentral ist dabei die klare Botschaft nach außen: Gewalt im Krankenhaus wird auf keinen Fall toleriert.
Übergriffe auf das Krankenhauspersonal treten in vielerlei Formen auf: als psychische (verbale/nonverbale), körperliche, sexualisierte und rassistische Gewalt. Die möglichen Folgen können für die Mitarbeitenden gravierend sein – von leichten bis zu schweren körperlichen und seelischen Erkrankungen. Dabei beschränkt sich Gewalt nicht auf einen Klinikbereich.
Die Gewaltprävention umfasst organisatorische, personenbezogene und baulich-technische Maßnahmen. Schulungen sowie Aus- und Fortbildungsprogramme für das Personal sind unerlässlich. Schulungsinhalte können sein: Frühwarnsignale, Deeskalation durch verbale und nonverbale Kommunikation, Sicherheitsabstand und Fürsorge gegenüber Dritten, Schutz- und Abwehrtechniken, Maßnahmen gegenüber Patientinnen, Patienten und Begleitpersonen sowie Erstellung eines Notfallplans. Zur Nachsorge zählen Sofortmaßnahmen sowie professionelle, mittel- und langfristig ausgerichtete Nachsorgekonzepte.
Um das Krankenhauspersonal für das Thema Gewalt und Gewaltprävention überhaupt zu sensibilisieren, ist eine breitflächige interne Kommunikation unabdingbar. Wichtig ist es auch, das Thema in die Öffentlichkeit („Null Toleranz!“) und zu den politischen Entscheidungsträgern zu bringen – hier vor allem mit dem Ziel einer Investitionsförderung. Zudem helfen regionale und lokale Netzwerke mit Gesundheitseinrichtungen, Behörden und Polizei.
Der Leitfaden ist im Oktober 2024 vom nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt worden. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und einzelne Landeskrankenhausgesellschaften haben ihr Interesse gezeigt. Die KGNW bleibt durch ihren Beitritt zum NRW-Präventionsnetzwerk #sicherimDienst an dem Thema dran, um die hier gesammelten Erfahrungen für alle NRW-Krankenhäuser nutzbar zu machen. Und sie veröffentlicht dazu in Kürze ein Taschenhandbuch und ein Faltblatt, die sich direkt an Mitarbeitende in den Notfallambulanzen, auf den Stationen und in anderen Bereichen richten. Der Leitfaden lässt sich hier downloaden. Überdies hat die Landesregierung einen runden Tisch zum Thema Gewaltprävention im Gesundheitswesen ins Leben gerufen.
Kontakt:
Hilmar Riemenschneider, Referatsleiter Politik, PR und Presse der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (KGNW), E-Mail: hriemenschneider@kgnw.de