Der Pflegebranche fehlen akut Arbeitskräfte. Zur Abmilderung des Fachkräftemangels wird die Rekrutierung internationaler Pflegekräfte immer relevanter. Unter Regie der BARMER hat sich in Berlin ein Netzwerk unterschiedlicher Akteure gebildet, das sich beim Onboarding internationaler Fachkräfte gegenseitig unterstützt.
Am 6. April 2022 titelte der Tagesspiegel „BARMER warnt vor Pflegenotstand in Berlin“ und die Berliner Morgenpost „Zahl pflegebedürftiger Berliner bis 2030 viel höher als prognostiziert“. Am Tag zuvor hatte Gabriela Leyh, Landesgeschäftsführerin der BARMER Berlin/Brandenburg die Ergebnisse des BARMER-Pflegereports vor Journalisten vorgestellt. Dieser hatte erstmals auf Grundlage der im Jahr 2017 eingeführten Pflegegrade eine Prognose für die zukünftige Zahl der Pflegebedürftigen und der benötigten Pflegekräfte erstellt. Das Ergebnis für Berlin: Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen auf rund 240.000 anwachsen. Das sind 43.000 mehr als bisher angenommen. Den Bedarf an Pflegekräften prognostizierte die BARMER bis zum Jahr 2030 auf rund 42.000, rund 10.000 mehr als heute. Die Berechnung wurde inzwischen vom Statistischen Bundesamt übernommen, auch das IGES-Institut geht von einem ähnlich hohen Fachkräftebedarf aus.
Viele Ausbildungsabbrüche in der Pflege
So groß der Bedarf an Pflegekräften ist, so groß ist auch die Sorge, ihn decken zu können. Die aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes Berlin/Brandenburg zur Ausbildungssituation in der Pflege machen da wenig Mut. Zwar haben im vergangenen Jahr in Berlin 1.471 Pflegekräfte ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, 1.135 haben sie jedoch abgebrochen oder die Prüfung nicht bestanden. Längst ist klar, der Ausbildungsmarkt allein kann es nicht richten. Deshalb werden schon seit Jahren bereits ausgebildete Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben.
Jede sechste Pflegefachkraft kommt aus dem Ausland
Die gesetzliche Voraussetzung hat hierfür unter anderem das Einwanderungsfachkräftegesetz geschaffen. Es zielte darauf ab, Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten anzuwerben. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2020 ist es gelungen, mehr Pflegekräfte aus Bosnien-Herzegowina, Philippinen, Vietnam, Türkei, Serbien und Albanien zu gewinnen. Es sind vor allem weibliche und junge Fachkräfte, die sich entscheiden, nach Deutschland zukommen. Was Deutschland für sie attraktiv macht sind ein höheres Einkommen, die wirtschaftliche Lage, die deutschen Bildungs- und Wohlfahrtsinstitutionen sowie die Menschenrechtssituation. Dies hat eine Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergeben. Mittlerweile kommt jede sechste Pflegekraft aus dem Ausland. In der Krankenpflege ist der Anteil ausländischer Pflegekräfte zwischen den Jahren 2013 und 2023 von 4,5 Prozent auf 14,5 Prozent gestiegen, in der Altenpflege von 6,9 auf 18,9 Prozent. Trotzdem ist die Anwerbung von Fachkräften noch längst kein Selbstläufer. Denn Deutschland steht in Konkurrenz mit anderen Anwerbeländern, in denen Pflegekräfte mehr Verantwortung tragen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung des Gesundheitswesens stuft die Arbeitsbedingungen in Deutschland für internationale qualifizierte Pflegefachpersonen mit akademischem Abschluss, die bisher umfängliche eigenständige Tätigkeiten gewohnt sind, tendenziell als unattraktiv ein. Hinzukommen bürokratische Hürden rund um die Aufenthaltsgenehmigung und die Anerkennung des ausländischen Berufsabschlusses.
Hoher Gesprächsbedarf bei allen Beteiligten
Um für internationale Fachkräfte den Abschluss einer Krankenversicherung schnell und reibungslos zu organisieren, hat die BARMER ein Team aufgestellt, das auf alle Onboarding-Prozesse spezialisiert ist. Es berät in mehreren Fremdsprachen, bei Bedarf auch schon im Herkunftsland, beglaubigt Urkunden, sorgt dafür, dass alle notwendigen Stellen eine Mitgliedsbescheinigung erhalten und eine Rentenversicherungsnummer beantragt wird. Außerdem bietet die BARMER in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Workshops zur interkulturellen Kompetenz und Führen interkultureller Teams an. „In der Zusammenarbeit mit den Personalabteilungen haben wir gemerkt, dass es beim Thema internationale Pflegefachkräfte bei allen Beteiligten einen ungeheuren Gesprächsbedarf gibt“, sagt Martin Pallokat, Geschäftsführer bei der BARMER. „Da stehen viele Fragen im Raum. Bekommen die Fachkräfte ein Visum? Wird die Berufsausbildung in Deutschland anerkannt? Wie lassen sich Sprachbarrieren abbauen? Werden ausländische Pflegekräfte von den Patienten, Pflegebedürftigen und den Kolleginnen und Kollegen akzeptiert?“
Netzwerktreffen zur gegenseitigen Unterstützung
Die BARMER nutze ihre Kontakte und lud im Januar 2023 zu einem Netzwerktreffen ein, um sich zu diesen Fragen auszutauschen. Eine Teamleiterin des LAGeSo erläuterte, worauf es beim Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsabschlüsse ankommt, die Lindoga GmbH stellte Online-Sprachkurse vor und eine Projektmanagerin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge erläuterte, wie Einrichtungen finanzielle Förderung aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU beantragen können. Das Netzwerktreffen fand so großen Zuspruch, dass drei weitere im Lauf des Jahres stattfanden. „Für die erste Veranstaltung hatten wir 25 Anmeldungen, mittlerweile kommen über 100 Personen zu unseren Netzwerktreffen“, sagt Martin Pallokat. Die Idee, die Personalverantwortlichen der Krankenhaus- und Pflegeheimträger, Beschäftigte, Vertreter von Behörden und Verbänden miteinander ins Gespräch zu bringen, sei voll aufgegangen. Thematisch ging es in den Veranstaltungen auch um Unterbringung und Wohnungssuche in Berlin, gesetzliche Änderungen und den gemeinsamen Business Immigration Service (BIS) von IHK und Berlin Partner.
Nächstes Netzwerktreffen am 21. Februar 2025
„Wir wollen aber nicht nur über internationale Pflegekräfte sprechen, sondern auch mit ihnen sprechen“, sagt Martin Pallokat mit Blick auf die Netzwerktreffen im kommenden Jahr. Das nächste findet in Kooperation mit dem Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) am 21. Februar 2025 statt und trägt den Titel „International angeworben – lokal vernetzt“. Es richtet sich direkt an internationale Pflegekräfte. In unterschiedlichen Austauschformaten kommen neu angekommene Pflegekräfte mit internationalen Pflegekräften in Kontakt, die schon viele Jahre in Deutschland sind. „Wir wollen zuhören und die soziale Bindung unter den internationalen Fachkräften fördern. Denn nur wenn es ihnen hier gefällt, werden sie bleiben und weitere Fachkräfte kommen,“ sagt Martin Pallokat.
Anmeldung unter: https://dkf-kda.de/veranstaltungen
Weitere Informationen siehe Plakat (PDF) oder siehe QR-Code: