„Jede Pflegekraft am Bett wird nach Tarif vergütet“ – so lautete das Versprechen, welches den Krankenhäusern mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz (PPSG) gemacht wurde. Die Pflegepersonalkosten wurden dafür aus dem Krankenhausbudget ausgegliedert und sollten im Pflegebudget eigenständig vergütet werden. Heute, rund drei Jahre nach Erlass der Regelung, ist leider noch nicht viel Spürbares bei den Berliner Krankenhäusern und damit bei den Pflegekräften angekommen.
(Pflege-)Budgetverhandlungen hinken dem prospektiven Ansatz teils um Jahre hinterher. Krankenhäuser benötigen seitdem einen sogenannten Pflegeentgeltwert als Abschlagszahlung. Der Bundesrat hat jetzt erst einer Erhöhung des Pflegeentgeltwerts zugestimmt. Damit könnte sich die Last der Krankenhäuser bei der Vorabfinanzierung der Pflege bis zu der Vereinbarung von Pflegebudgets etwas reduzieren. Berechnungen zu Folge sind die Träger bislang mit circa sieben Milliarden Euro für die Pflegefinanzierung in Vorleistung getreten. Zwar kann der erhöhte Pflegeentgeltwert für einige Träger hilfreich sein (für zahlreiche Träger ist auch dieser Wert noch nicht ausreichend). Wichtig ist aber, dass die Vereinbarung der Pflegebudgets jetzt schnell vorankommt. Die Krankenkassen müssen hier noch deutlich kooperativer werden. Sonst verlieren sich die Heilsversprechen des PPSG noch im „Ankündigungs-Nirvana“.
In diesem droht auch die Umsetzung der PPR 2.0 aufzugehen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Pflegerat und ver.di hatten ein neues Personalbemessungsinstrument bereits in der letzten Legislaturperiode entwickelt. Dessen Umsetzung in der Klinikpraxis wurde im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung im Bund angekündigt und harrt bis heute einer näheren Befassung des für dessen Umsetzung erforderlichen Bundesministeriums für Gesundheit. Dabei ist die Absichtsbekundung der Koalitionäre eindeutig: Pflege soll mit dem neuen Bemessungsinstrument gestärkt werden.
So droht auch hier, dass wichtige Schritte für eine bessere Ausstattung und Vergütung für Pflege nicht gegangen werden und den Beschäftigten in dieser wichtigen Berufsgruppe die notwendige Unterstützung vorenthalten wird. Dies ist umso weniger verständlich, als wir uns noch immer mit den Folgen der Coronavirus-Pandemie auseinandersetzen müssen. Zentrale Erkenntnis war dabei, dass wir mehr Pflegekräfte brauchen und angemessene Arbeitsbedingungen schaffen müssen. Das wird ohne Aktion der Politik schwer! Und neues Unheil droht mit der für Herbst erwarteten nächsten Infektionswelle. Wie will Politik dann wieder auf den unermüdlichen Einsatz derjenigen bauen, deren Forderungen ungehört verhallen?
Zusätzlich drohen mit dem nur teilweise gewährten Ausgleich von Erlöseinbußen in Folge der Coronavirus-Pandemie sowie mit den Preis- und Kostensteigerungen durch die aktuelle Inflation noch ungedeckte Kosten. Diese können von Kliniken nicht, wie in anderen Branchen üblich, durch Preisanpassungen abgefedert werden. Sofern also nicht ein voller Ausgleich der pandemiebedingten Erlöseinbußen gewährt wird und die Kostenexplosionen für Krankenhäuser durch einen Inflationszuschlag eingefangen werden, sind massive Einsparungen wahrscheinlich im Personalbereich erforderlich, um einen kalten Strukturwandel zu vermeiden.
Das Zeitfenster für gute Pflegepolitik ist noch offen. Die Verantwortlichen in der Politik dürfen die Chance nicht verpassen – schnelles Handeln zur Stärkung der Pflege ist angesagt, beispielsweise mit intensiver Diskussion zur PPR 2.0 zur Entlastung der Pflege.
Freundliche Grüße
Marc Schreiner