Die Pandemie macht's möglich – für die Zeit danach sollte die Entbürokratisierung erhalten bleiben: das leistet die elektronische Patientenakte

Entbürokratisierung der Pflege

Mit dieser Newsletter-Ausgabe wollen wir die Diskussion zur Entbürokratisierung starten und bieten unseren Leser/-innen eine Übersicht zum aktuellen Stand der Möglichkeiten zur elektronischen Pflegedokumentation an. Während der Coronavirus-Pandemie hat es zahlreiche Bürokratieerleichterungen für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gegeben. Die Praxis ist vertrauensvoll mit den Erleichterungen umgegangen und es zeigt sich, dass die Bürokratiebelastungen auch nach der Pandemie entfallen müssen.

Sie sind herzlich eingeladen, uns Ihre Ideen, Vorschläge und Hinweise zu dem Thema zuzuschicken, damit wir die Diskussion in unserer Kampagne fortsetzen und das Thema weiter vorantreiben können.

Die Bürokratie nimmt immer mehr den Pflegealltag von Pflegekräften ein. Um Pflegekräfte in ihrem beruflichen Alltag langfristig zu entlasten, müssen bürokratieentlastende Maßnahmen umgesetzt werden. Dies steigert gleichzeitig die Attraktivität des Pflegeberufs. In der Januar-Ausgabe unseres Newsletters möchten wir unseren Leser/-innen zeigen, wie Bürokratieabbau gelingen kann und welche Maßnahmen in der Praxis eingesetzt werden.

Elektronische Pflegedokumentation

Eine ausreichende und gute Pflegedokumentation ist eine wichtige Grundlage für eine bedarfsgerechte und sichere Pflege. Die elektronische Pflegedokumentation kann Entbürokratisierung bedeuten, vor allem im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte. Im Pflegealltag in einer stationären Einrichtung oder auch in der ambulanten Pflege ist die Zeit für die pflegebedürftige Person knapp bemessen, insbesondere wenn die Patientenakte mit den wesentlichen Informationen händisch angelegt und geführt werden muss. Darin werden nicht nur Pflegeplanungsprozesse und alle Vorgänge dokumentiert, sondern auch die Kommunikation mit den Leistungsträgern festgehalten.

Die elektronische Pflegedokumentation dient dazu, den Pflegeablauf in der Praxis zu verwalten, indem Informationen schnell verarbeitet und für zuständige Personen zugänglich gemacht werden. Unterstützt wird dieser Prozess durch eine Pflegesoftware. Die Pflegesoftware ist so angelegt, dass sich ganz einfach weitere Teilbereiche in unterschiedlichen Struktur- und Pflegemodelle eingliedern lassen und so die Dokumentation effizient und aktuell digitalisiert wird. Geplante und durchgeführte Maßnahmen, Beobachtungen, Veränderungen und Besonderheiten sind lückenlos und umfassend in der Pflegedokumentation festzuhalten. Es werden gemeinsam mit den Patient/-innen therapeutische Maßnahmen erarbeitet und strukturiert durchgeführt. Bei Veränderungen des Gesundheitszustandes können jederzeit Anpassungen vorgenommen werden. Zudem lassen sie sich jederzeit an den individuellen Bedürfnissen des Pflegebedürftigen orientiert anpassen. Diese lassen sich in der digitalen Pflegedokumentation abspeichern und sind somit für das gesamte Pflegepersonal ersichtlich. Aber auch Abrechnungen, Qualitätssicherung und alle bürokratischen Vorgänge sind Bestandteile der digitalen Patientenakte.

Erfasst und dokumentiert werden in der elektronischen Pflegedokumentation z. B. auch der Wechsel des Pflegegrades, Abrechnungen mit den Leistungsträgern, die Qualitätssicherung des Pflegeprozesses. Mit einer Pflegesoftware lassen sich Dokumentationen in die digitalisierte Form übertragen. Ein weiterer wichtiger Vorteil der digitalen Pflegedokumentation ist die Übersicht über Verordnungen, Medikamentenpläne oder Besonderheiten, die während der täglichen Pflege auftreten. Für eventuell auftretende Notfälle sind Kontaktdaten in der digitalen Pflegedokumentation hinterlegt, die es ermöglichen, schnell die nächsten Angehörigen zu informieren. In der elektronischen Patientenakte kann die Pflegeplanung gezielt erstellt werden. Es erfolgt ein schneller Informationsfluss zwischen den Pflegepersonen. Informationen über Änderungen der Pflegesituationen können jeder Zeit schnell abgerufen werden.

Der Digitalisierungsprozess kann dabei durch die Implementierung einer Pflegesoftware unterstützt werden. Dabei wird die digitale Pflegedokumentation unmittelbar am Bett oder im Zimmer der Patient/-innen geführt. Lange Übergaben zwischen den Schichten entfallen, da das Pflegepersonal jederzeit einen übersichtlichen Zugriff auf alle Vorgänge hat. Aufnahmen und Entlassungen im Rahmen des Entlassmanagements können schneller und effizienter bearbeitet werden. Mit einer entsprechenden Pflegesoftware kann die Pflegedienstleitung z. B. auch Dienstpläne erstellen, in denen sie auf freie Kapazitäten zurückgreifen und unerwartete Ausfälle kompensieren kann. Zudem wird mehr Lesbarkeit erreicht, da die handschriftlichen Dokumentationen entfallen.

 

Aufbau der elektronischen Patientenakte als Teil der elektronischen Pflegedokumentation

Die elektronische Pflegedokumentation wird in verschiedene Bereiche unterteilt und ständig aktualisiert. Einen Bereich macht die elektronische Patientenakte des Pflegebedürftigen aus, in der die individuelle Pflegeplanung gezielt erstellt werden kann. In der elektronischen Patientenakte sind folgende Bestandteile enthalten:

  • Patientenstammblatt
  • Pflegeanamnese
  • Biografie-Dokumentation
  • Ärztliche Anordnungen
  • Therapiemaßnahmen
  • Medikamentenplan
  • Geplante Pflegemaßnahmen
  • Beurteilende Pflegeberichte
  • Durchführungsnachweise
  • Zusatzinformationen zur Schmerzerfassung, Wunddokumentation, Miktionsprotokolle, Diätpläne, Fieberkurven

 

Strukturmodell (SIS) - Projekt EinSTEP

Es wird immer mehr Entbürokratisierung in der Pflege gefordert, um mehr Zeit für die direkte Pflege am Bett zu haben. Dabei geht es von vereinfachter Pflegedokumentation bis hin zur Einführung der elektronischen Patientenakte. Beispielsweise wurde in der stationären Langzeitpflege auf Initiative des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung ein Strukturmodell zur Entbürokratisierung in der Pflege eingeführt. Die Implementierungsphase begann Anfang des Jahres 2015.

Ziel des Strukturmodells ist es, den Dokumentationsaufwand bei der Pflegedokumentation auf das erforderliche Maß zu reduzieren. Das Konzept richtet sich an die ambulante Pflege, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege sowie die vollstationäre Pflege. Nach dem Strukturmodell müssen Pflegeeinrichtungen Leistungen nur dann dokumentieren, wenn sie von der individuell erstellten Pflegeplanung des Pflegebedürftigen abweichen. Die SIS ist das erste Element des Strukturmodells und beschreibt das Konzept in einem vierstufigen Pflegeprozess. Dabei wird eine an den individuellen Bedürfnissen des Pflegebedürftigen orientierte Maßnahmenplanung erstellt. Dem Strukturmodell liegen ein wissenschaftsbasiertes Konzept und der Kerngedanke einer personenzentrierten Pflege zu Grunde. Gemäß diesem Ansatz werden die Wünsche und Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person in den Mittelpunkt der Versorgung gestellt und unter Aspekten der Selbstbestimmung kontinuierlich in die Gestaltung der Pflege und Betreuung (Pflegeprozess) mit einbezogen. Die Strukturierte Informationssammlung erfolgt in der Regel im Rahmen eines Erst- oder Aufnahmegesprächs im Dialog zwischen pflegebedürftiger Person und Pflegefachkraft. Dabei werden pflege- und betreuungsrelevante biografische Aspekte der pflegebedürftigen Person erfasst. Es werden fachliche Einschätzungen zur individuellen Pflegesituation der pflegebedürftigen Person in fünf Themenfeldern vorgenommen und für die Planung des pflegerischen Tagesablaufes festgehalten.

1.       Kognition und Kommunikation

2.      Mobilität und Bewegung

3.      Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

4.      Selbstversorgung

5.      Leben in sozialen Beziehungen

Diese Themenfelder orientieren sich an den Modulen des Neuen Begutachtungsassessments (NBA) und somit an das neue Begutachtungsinstrument zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Der Pflegeprozess wird in dem jeweiligen Versorgungsbereich um weitere Themenfelder ergänzt. Für den ambulanten Sektor z. B. wurde die Thematik "Haushaltsführung" als sechste pflegerelevante Kategorie hinzugenommen und für den stationären Sektor die Thematik "Wohnen/Häuslichkeit". Durch die fachliche Einschätzung der Pflegefachkraft werden zusätzlich in einer speziellen Matrix die jeweiligen Pflegerisiken im Zusammenhang mit den Themenfeldern wie Sturz mit Bewegung/ Mobilität ermittelt. Im Anschluss daran kann – auf Grundlage der SIS (einschließlich der Matrix zur Risikoeinschätzung) – der Handlungsbedarf in der Maßnahmenplanung dokumentiert werden. Durch die zusätzliche übersichtliche Erfassung der pflegerischen Risiken und Phänomene zu Beginn des Pflegeprozesses in der SIS und eine darauf aufbauende Maßnahmenplanung sowie die Festlegung von Evaluationsdaten ist die Qualität der pflegerischen Versorgung gesichert.


Das Strukturmodell verfolgt einerseits das Ziel, bei der Pflegedokumentation die Selbstbestimmung und die individuellen Wünsche und Bedürfnisse zu berücksichtigen und die fachliche Kompetenz der Pflegefachkräfte in der Maßnahmenplanung zu stärken. So wird auf Dokumentationsroutinen und auf Einzelleistungsnachweise für wiederkehrende Abläufe in der Grundpflege und Betreuung im Berichteblatt verzichtet. Vielmehr zählt die Einschätzung der Pflegefachkraft in Bezug auf den individuellen fachlichen Handlungsbedarf. Im Mittelpunkt der Neuausrichtung der Pflegedokumentation stehen dabei auch die Förderung der Fachlichkeit und Wertschätzung der Arbeit von Pflegekräften, die Arbeitszufriedenheit sowie die Orientierung an den Perspektivwechsel im Hinblick auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Durch die neue Ausrichtung und Struktur der Dokumentationspraxis sollen gezielt frühzeitig Veränderungen der Situation pflegebedürftiger Personen erkannt werden und mehr Zeit für fachliche Entscheidungen zur Steuerung des Pflegeprozesses und Reflexion im Team geschaffen werden.

Die Steuerung des Projektes erfolgte zunächst durch ein Projektbüro. Bereits 2017 wurde die Verantwortung für das Projekt an die Trägerverbände der Pflege auf Bundesebene übergeben, die das System nunmehr gemeinsam steuern. Alle Qualitätsprüfer/-innen sind in der Anwendung des Strukturmodells geschult, so dass diese auf Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen mit der vereinfachten Pflegedokumentation gut vorbereitet sind. Interessierte Pflegeeinrichtungen können sich auf der Projektwebsite https://www.ein-step.de/ für die Teilnahme am Projekt anmelden. Sie erhalten dann Unterstützung durch die Multiplikatoren ihrer Trägerverbände. EinSTEP hat zudem entsprechendes Schulungs- und Informationsmaterial veröffentlicht, das unter https://www.ein-step.de/schulungsunterlagen/schulungsunterlagen/ abgerufen werden kann.

 

Hier gelangen Sie zum Video "Die Neuausrichtung der Pflege und das Strukturmodell": EinSTEP

Leitfaden zur technischen Unterstützung bei der Erhebung von Daten zur Ergebnisqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen bei Anwendung des Strukturmodells in einer elektronischen Pflegedokumentation

Das Projektbüro EinSTEP hat in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden, die das Projektbüro EinSTEP tragen, im März 2021 einen Leitfaden zur technischen Unterstützung bei der Erhebung von Daten zur Ergebnisqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen bei Anwendung des Strukturmodells in einer elektronischen Pflegedokumentation veröffentlicht. Hintergrund ist, dass die Einführung der Qualitätsindikatoren zur Darstellung der Ergebnisqualität in der stationären Langzeitpflege nach dem SGB XI die Pflegeeinrichtungen und die Softwarebranche vor neue Herausforderungen gestellt hat. Mit dem Leitfaden wird aufgezeigt, wie die Erhebung von Daten zur Ergebnisqualität sowohl für die Pflegeeinrichtungen als auch von Herstellern von Softwarelösungen effektiv bewältigt werden kann. Mit der praxisnahen Hilfestellung, die die fachlichen und technischen Aspekte der Indikatorenerhebung bei einer elektronisch gestützten Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell systematisch darstellt, sollen die Einrichtungen bei der Umsetzung unterstützt werden.

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